Mörderische Tage
geschah vermutlich erst nach ihrem Tod. Fingerabdrücke haben wir genommen und an die KTU weitergeleitet. Ob unsere Tote registriert ist, wage ich jedoch zu bezweifeln, da sie zum Zeitpunkt ihres Todes kaum älter als sechzehn oder siebzehn war. Sie war übrigens keine Jungfrau mehr, und sie muss eine starke Raucherin gewesen sein, was die dunkelgelben Verfärbungen an ihrem linken Zeige- und Mittelfinger eindeutig belegen. Das heißt, sie hat noch kurz vor ihrem Tod geraucht, denn die Gelbfärbung verschwindet selbst bei starken Rauchern spätestens vier Wochen nach der letzten Zigarette von allein. Ach ja, das dürfte dich noch interessieren – sie wurde unmittelbar nach ihrem Tod sorgfältig gewaschen und mit einem kostbaren Lavendelöl eingerieben, das selbst dem Regen getrotzt hat. War's das?«
»Im Prinzip ja.«
»Dann lass uns weitermachen, damit wir dir vielleicht noch heute ein vorläufiges Obduktionsergebnis schicken können. Bis dann. Moment, Prof. Bock möchte dir noch was sagen.«
»Frau Durant, ich wollte Sie sowieso heute noch anrufen. Stellen Sie bitte den Apparat laut …«
»Ist bereits geschehen. Fahren Sie fort.«
»Ich habe mit meinem amerikanischen Kollegen gesprochen und ihm von dem Tod von Frau Schweigert berichtet. Er hat im Grunde meine Vermutung bestätigt, dass Frau Schweigert möglicherweise der sogenannten Weißen Folter ausgesetzt war, da wir keinen anderen Grund für das multiple Organversagen finden konnten. Es handelt sich um eine Folter, die rein psychisch ist, der Gefangene wird nicht auf herkömmliche Art und Weise misshandelt, sondern durch Töne, laute Musik oder das Gegenteil, eine vollkommene Stille, die unsere Vorstellungskraft bei weitem übersteigt. Schlafentzug ist ein weiteres Mittel, oder ein Gefangener wird in einen winzigen Käfig gesperrt, in dem er tagelang in unnatürlicher Haltung ausharren muss. Diese Liste ließe sich beliebig lange fortsetzen, heutzutage hat die Weiße Folter die physische Folter längst abgelöst. Man macht sich nicht mehr die Finger schmutzig. Prof. Brinkley hat mir von Fällen berichtet, wo Gefangene dieser Art der Folter ausgesetzt worden waren und noch während oder kurz nach Absetzen dieser Folter an multiplem Organversagen gestorben sind. Wir können uns natürlich auch irren, aber wir haben keine andere Erklärung für den Tod von Frau Schweigert.«
»Hier Berger. Wenn Sie von dieser Art von Folter sprechen, bedeutet das nicht auch, dass der Täter über entsprechende Räumlichkeiten verfügen muss? Zum Beispiel einen absolut schalldichten Raum, in den keinerlei Geräusche dringen?«
»Das ist richtig. Aber jemand, der sich auf diese Art von Folter spezialisiert hat, wird auch noch über andere Geräte verfügen, mit denen er seine Opfer quälen kann. Entweder lebt er allein in einem abgelegenen Haus oder er besitzt ein zweites Haus, wo er seine Opfer über einen längeren Zeitraum hinweg gefangen halten kann.«
»Woher bekommen wir Informationsmaterial über die Weiße Folter?«, fragte Berger weiter.
»Ich kann Ihnen etwas zukommen lassen, es ist aber nicht sehr umfangreich.«
»Danke, Prof. Bock, Sie haben uns sehr geholfen, es wird vor allem Dr. Holzer interessieren, der uns ab Montag unterstützen wird.«
»Grüßen Sie ihn von mir, er ist ein hervorragender Analytiker und Menschenkenner, wenn auch recht unzugänglich. Er hat uns schon einige Male mit seinem Besuch beehrt. Falls Sie noch Fragen haben, Sie wissen, wie Sie mich erreichen können.«
Durant legte auf und warf Hellmer einen fragenden Blick zu. Der nickte, und sie ergriff das Wort: »Der Mord an unserer Unbekannten ähnelt auf eine gewisse Weise den Morden an Weiß und Peters, auch wenn sie längst nicht so grausam umgebracht wurde. Aber das Waschen, dazu eine Körperlotion wie bei der Schweigert und die Detailkenntnis unseres Falls von vor acht Jahren.«
»Du kannst es ruhig aussprechen«, sagte Seidel, »du meinst das Insiderwissen.«
»Ja. Frag doch mal bei der KTU nach, ob die Fingerabdrücke in unserer Datenbank gespeichert sind?«
Seidel wählte die vierstellige Nummer der Kriminaltechnik. Eine junge Mitarbeiterin meldete sich und reichte den Hörer weiter an Kunze.
»Es gibt bis jetzt keine Übereinstimmung der Fingerabdrücke der Toten mit den bei uns gespeicherten Abdrücken, allerdings sind wir mit der Auswertung noch nicht ganz durch. Ich melde mich, sobald wir das endgültige Ergebnis haben.«
»Danke. Ihr habt's gehört.«
»Also gut, wir
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