Mörderische Tage
die alten, von ihnen in der Vergangenheit bearbeiteten markanten Fälle unter die Lupe zu nehmen.
Für sechzehn Uhr war eine Pressekonferenz anberaumt worden, in der über den Fall der unbekannten Toten aus Zeilsheim berichtet wurde. Bald stand die Frage im Raum, ob es Verbindungen zu andern, unaufgeklärten Mordfällen gäbe und zu dem Verschwinden von Franziska Uhlig. Sowohl der Polizeisprecher als auch Berger hielten sich mit Kommentaren zurück, um der Presse so wenig Material wie möglich für Spekulationen zu geben. Eins war jedoch sicher, am Freitag würden alle Tageszeitungen aus dem Rhein-Main-Gebiet das Foto der jungen Frau veröffentlichen.
Nach der Pressekonferenz wurde die Soko zusammengetrommelt, um die bisherigen Ermittlungsergebnisse zu besprechen. Doch es gab keine Ergebnisse. Nicht einmal einen mageren Hinweis, der ein mögliches Ergebnis morgen oder übermorgen oder in drei Tagen hätte erbringen können. Im Moment war Kommissar Zufall die einzige Hoffnung für die Beamten, denn es herrschten allgemeine Ratlosigkeit und Enttäuschung.
Um halb acht löste sich die Sonderkommission nach einer fast zweistündigen Besprechung auf, und es wurde beschlossen, den Tag zu beenden.
Julia Durant und Frank Hellmer waren die Letzten, die das Büro verließen.
»Das war einer der beschissensten Tage, die ich seit langem erlebt habe«, sagte sie, während sie mit dem Aufzug nach unten fuhren.
»Untertreibst du immer so?«, fragte Hellmer ernst. »Diese Sitzung hat mir den Rest gegeben. Mir ist noch nie aufgefallen, wie viele Dummschwätzer wir in unseren Reihen haben.«
»Du hast aber ziemlich lange dafür gebraucht, um das rauszukriegen. Aber bei einigen ist das die blanke Hilflosigkeit. Vergiss es einfach. Was machst du heute noch?«
»Was schon? Nach Hause fahren, vielleicht meinen Vater anrufen … Ehrlich gesagt, ich habe keine Ahnung. Und du?«
»Same procedure as every evening«, erwiderte Hellmer achselzuckend.
»Das hört sich nicht gut an.«
Es entstand eine kurze Pause, sie stiegen aus und gingen zum Parkplatz, bis Hellmer nach einer Weile des Überlegens sagte: »Okay, ich erzähl's dir, bevor du in Urlaub fährst. Ich fühle mich zurzeit auch alles andere als wohl in meiner Haut, eigentlich geht das sogar schon ziemlich lange. Das ist auch der Grund für so einige Dinge in der Vergangenheit. Aber keine Sorge, im Moment ist da keine andere Frau und auch kein Alkohol im Spiel, ich weiß selber nicht, was mit mir los ist. Ich fühle mich wie ein Hamster in seinem Rad, ich renne und renne und renne, ohne einen Schritt vorwärts zu kommen. Manchmal möchte ich alles hinschmeißen und irgendwo hingehen, wo mich keiner findet. Aber das kann ich Nadine und den Kindern nicht antun. Ich möchte ja auch nicht für immer weggehen, nur für eine Weile, um …«
»Um was?«
»Schon gut, ist nicht so wichtig. Interessiert eigentlich auch keinen.«
»Würde ich fragen, wenn's so wäre? Du kennst mich, ich kann schweigen, dagegen ist ein Grab die reinste Talkshow.«
Hellmer musste grinsen. »Das weiß ich doch. Es ist nur so, wir haben Kohle ohne Ende, wir können uns alles leisten, aber das macht wahrhaftig nicht glücklich. Ich müsste mal weg, um zu mir zu finden. Kloster oder so was.«
»Dann tu's doch. Was hindert dich daran? Ich habe bisher von diesen Klosterurlauben nur das Beste gehört. Mensch, Frank, wenn du's Nadine richtig erklärst, mein Gott, sie wird dich sogar unterstützen. Sieh's mal so, sie hatte von jeher Geld, ob's ihr Elternhaus war oder in ihrer ersten Ehe. Du aber wurdest von jetzt auf gleich ein reicher Mann. Ich kann mir vorstellen, dass es für dich nicht leicht ist zu wissen, dass du eine Frau geheiratet hast, die mehr Geld in die Ehe gebracht hat, als ihr je werdet ausgeben können. Irgendwie kann ich mich in deine Situation hineinversetzen, auch wenn ich nur eine alleinstehende Frau bin und mir nie große Sprünge erlauben konnte.«
»Danke. Tut mir leid, wenn ich dich zugetextet hab, aber ich komm im Augenblick mit so vielem nicht klar. Manchmal möchte ich einfach nur abhauen, auch wenn ich weiß, dass das keine Lösung ist. Ich liebe Nadine, obwohl es längst nicht mehr so ist wie früher. Als würden wir uns belauern, wenn wir längere Zeit in einem Raum sind.«
»Hast du schon mal an einen Eheberater gedacht?«
»Natürlich, aber weder Nadine noch ich haben es je ausgesprochen.«
»Ich kenne da jemanden, du kennst sie auch – Alina Cornelius. Sie hat seit einem
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