Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mörderische Tage

Mörderische Tage

Titel: Mörderische Tage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Franz
Vom Netzwerk:
antwortete er. Seine Stimme hatte einen neuen Unterton, als schwelgte er für einen Moment in süßen Erinnerungen.
    »Warum ich?«
    »Das habe ich bereits versucht, dir zu erklären. Du bist mein Meisterstück, das Sahnehäubchen auf dem besten Kaffee der Welt.«
    »Woher kennst du mich?«
    »Aus der Zeitung, aus dem Präsidium, vom Hörensagen.«
    »Ich bin niemand Besonderes, nur eine Kommissarin beim K11.«
    »Stell dein Licht nicht unter den Scheffel. Du bist großartig, im Präsidium genießt du höchstes Ansehen, auch wenn du mit deiner Art hin und wieder aneckst. Aber das gehört zu besonderen Menschen wie Launen und Drogen zu Superstars. Du bist so etwas wie ein Superstar, wenn auch im Verborgenen. Deine Aufklärungsquote ist exorbitant hoch, deine Ermittlungsmethoden sind außergewöhnlich, und deine sprichwörtliche Intuition ist berühmt und berüchtigt zugleich. Du hast etwas, das andere nicht haben. Deshalb habe ich dich auserwählt, mein Gast zu sein. Nur deshalb. Keiner von deinen andern Kollegen interessiert mich. Hast du das verstanden?«
    »Nein, denn ich bin nicht besser als einer von ihnen.«
    »Das glaubst du doch selbst nicht. Was wäre deine Abteilung ohne dich? Du weißt es, ich weiß es, alle, die dich kennen, wissen es.«
    »Mir ist egal, was du von mir hältst oder denkst«, entgegnete Julia entschieden. »Sag mir, wie meine Zukunft aussieht. Werde ich leben oder werde ich sterben? Ich möchte mich darauf vorbereiten.«
    »Es ist noch nicht an der Zeit, darüber zu sprechen. Wir werden sehen, und du wirst dich in Geduld üben müssen. Das sind die Regeln, die ich bestimmt habe.«
    »Du hast mir aufgetragen, über Liebe und Hass, Gut und Böse und Gott und den Teufel zu schreiben. Wie denkst du über Liebe?«
    »Eine Illusion, so dünn wie eine Seifenblase und so verführerisch wie eine schöne Frau. Unbedeutend, vergänglich, ein Wort. Frag weiter.«
    »Hass?«
    »Treibt Menschen an und ist doch ebenso vergänglich.«
    »Was ist es, das du für Menschen empfindest, die du tötest? Kein Hass?«
    »Nein. Ich bin gerne mit Menschen zusammen, ich lache gerne, gehe gerne aus und …«
    »Du kannst die Frage nicht beantworten, weil du keine Antwort darauf hast. Du empfindest nichts, weil du tot bist, du bist innerlich tot, lebloser als ein Millionen Jahre alter Stein«, sagte Julia Durant ruhig und ohne ihn aus den Augen zu lassen. Sie hoffte, ihn wütend zu machen, doch nichts dergleichen geschah.
    »Es kann sein, dass du recht hast, aber nur das verleiht mir die Kraft, das zu tun, wozu ich berufen bin. Hätte ich Emotionen wie du, wäre ich nicht in der Lage, einem Menschen etwas anzutun. Aber willst du mir einen Vorwurf machen dafür, dass ich innerlich tot bin?«
    »Nein, aber mich würde interessieren, wie es dazu kommen konnte. Niemand wird gefühllos geboren …«
    »Hören wir auf damit, es führt zu nichts«, sagte er mit einem Mal kalt und stand auf. »Komm, ich will dir etwas zeigen und dich jemandem vorstellen. Ich werde darauf verzichten, dir Fesseln anzulegen, weil ich weiß, dass du nicht so dumm sein wirst, dich mit mir anzulegen …«
    »Warte«, sagte Durant und erhob sich langsam. »Kennst du die Geschichte vom kleinen Prinzen?«
    »Natürlich, es ist eins meiner Lieblingsbücher.«
    »Dann kennst du auch die Begegnung des kleinen Prinzen mit dem Fuchs und wie der Fuchs sagt: Man sieht nur mit dem Herzen gut. Hast du es jemals damit versucht?«
    »Schon wieder so eine dämliche Frage. Vielleicht fragst du mich das nächste Mal, ob ich auch schön jeden Tag mein Morgen- und Nachtgebet spreche. Komm jetzt, oder willst du nicht raus hier? Willst du nicht sehen, woher das Geräusch kommt, das du die ganze Zeit hörst? Komm, komm, komm, ich hab meine Zeit nicht gestohlen.«
    »Deine Frau wartet bestimmt schon auf dich«, sagte Julia Durant im Hinausgehen.
    »Nein, sie wartet nicht, sie arbeitet. Und jetzt weißt du, dass ich verheiratet bin. Aber was bringt es dir? Selbst wenn ich dich freilasse, wirst du nie den Hauch einer Ahnung haben, wer ich bin und wo man mich findet, denn ich bin ein Phantom, das auftaucht und wieder verschwindet. Ein schöner Reim, oder?«
    »Was ist das?«, fragte sie und ließ ihren Blick über die Decke und die Wände streifen, sah das alte Geländer, den unebenen, aus Stein gehauenen Boden, der kalt war, viel kälter als in ihrer Zelle.
    »Mein Reich, meine Zuflucht.«
    »Es scheint sehr alt zu sein.«
    »Es ist alt, ein ehemaliges Gefängnis, zwischen

Weitere Kostenlose Bücher