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Mörderische Tage

Mörderische Tage

Titel: Mörderische Tage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Franz
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Blick?«
    »Was würde es dir bringen?«
    »Ich möchte nur einmal für ein paar Minuten diese Zelle verlassen. Du darfst mir gerne Hand- und Fußfesseln anlegen, falls du Angst hast, ich könnte Dummheiten machen.«
    Er lachte wieder auf und schüttelte den Kopf. »Ich und Angst? Sehe ich aus, als hätte ich Angst? Tz, tz, du hast Angst, Alina hat Angst, Franziska hat Angst. Nur Karin und Pauline haben keine Angst. Willst du wissen, warum sie keine Angst haben?«
    »Ja, wenn du es mir sagen möchtest.«
    »Weil sie keine Angst mehr haben können. Sie sind innerlich tot, nur ihr Körper funktioniert noch. So wie bei Jackie. Jackie, die süße kleine Jackie, sie hat es länger überstanden, als ich je zu hoffen gewagt hatte. Sie war am Ende zu allem bereit, und du weißt, was ich damit meine. Wir haben Dinge gemacht, die unaussprechlich sind. Leider hat es ihr nichts genutzt, mir ihren wundervollen Körper zur Verfügung zu stellen, diesen wundervollen jungen Körper. Sie hatte gehofft, eines Tages die frische Luft der Freiheit wieder atmen zu können, aber als es so weit war, war sie kein Mensch mehr, nur noch ein Zombie, der auf die Autobahn gelaufen ist. Dass ausgerechnet dein Kollege sie als einer der Ersten gefunden hat, war reiner Zufall, ich konnte ja nicht wissen, dass er nachts um eins über die A66 fahren würde. Aber gut, das tut nichts zur Sache, Jackie ist nicht mehr, wie mein Geschichtslehrer immer zu sagen pflegte. Und Karin und Pauline, nun, ich wollte sie auch auf der Straße aussetzen wie Tiere, die man Kindern zu Weihnachten geschenkt hat, um dann festzustellen, dass sie doch nur Dreck machen und man Verpflichtungen hat. Du weißt ja, wie diese Unmenschen vorgehen. Da wird ein Hund an einer Raststätte ausgesetzt, eine Katze die Böschung runtergeworfen und so weiter und so weiter und so weiter. Die Menschen sollten vorher überlegen, bevor sie etwas tun. So wie ich. Ich habe noch nie etwas getan, was nicht akribisch durchgeplant war. Noch nie, hörst du?
    Alles hat seinen Platz und alles hat seine Zeit. Eine Zeit zum Gebären und eine Zeit zum Sterben, eine Zeit zum Pflanzen und eine Zeit zum Ernten der Pflanzen, eine Zeit zum Töten und eine Zeit zum Heilen, eine Zeit zum Niederreißen und eine Zeit zum Bauen, eine Zeit zum Weinen und eine Zeit zum Lachen, eine Zeit für die Klage und eine Zeit für den Tanz, eine Zeit zum Steinewerfen und eine Zeit zum Steinesammeln, eine Zeit zum Umarmen und eine Zeit, die Umarmung zu lösen, eine Zeit zum Suchen und eine Zeit zum Verlieren, eine Zeit zum Behalten und eine Zeit zum Wegwerfen, eine Zeit zum Zerreißen und eine Zeit zum Zusammennähen, eine Zeit zum Schweigen und eine Zeit zum Reden, eine Zeit zum Lieben und eine Zeit zum Hassen, eine Zeit für den Krieg und eine Zeit für den Frieden.
    Du kennst diese Schriftstelle?«
    »Ja, ich weiß aber nicht, wo sie steht.«
    »Oh, oh, als Tochter eines Pfarrers solltest du das aber wissen. Kohelet 3, es ist eine von vielen Schriftstellen, die ich auswendig kenne, weil sie den Lauf des Lebens, des Werdens und des Vergehens, aber auch die menschlichen Eigenschaften so trefflich wiedergeben.«
    »Ich kenne sie leider nicht auswendig, aber ich würde sie gerne aufschreiben, wenn du sie mir noch einmal diktieren würdest.«
    »Wozu? Was erwartest du noch von diesem Leben? Oder anders gefragt, was erwartest du noch in deinem Leben zu erleben?«
    »Willst du mich töten?«
    »Du hast meine Frage nicht beantwortet, liebe Julia.«
    »Okay, ich möchte noch vieles erleben. Ich möchte arbeiten, ich möchte reisen, ich möchte mit Freunden zusammen sein, ich möchte bei meinem Vater sein, wenn er eines Tages …«
    »Du kannst es ruhig aussprechen, die Natur hat es so vorgesehen, dass die Eltern vor den Kindern sterben. Leider ist es manchmal umgekehrt. Aber diese Widersprüche gehören zum Leben, sie beweisen nur die Gültigkeit des Gesetzes.«
    »Ich verstehe nicht, was du damit meinst.«
    »Ausnahmen bestätigen die Regel. Jetzt kapiert?«
    »Ja, entschuldige, ich bin etwas durcheinander. Erklärst du mir, was du mit Karin und Pauline vorhast?«
    »Warum nicht, du wirst es ganz sicher keinem verraten. Ich werde sie nicht wie Jackie aussetzen, sie sind inzwischen zu schwach und bereits jetzt in einem derart hinfälligen Zustand, dass mir nichts anderes bleibt, als sie von ihrem seelenlosen Dasein zu erlösen. Du wirst zusammen mit Franziska und deiner Busenfreundin Alina der Zeremonie beiwohnen dürfen. Es wird ein

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