Mörderische Tage
angedroht?«, wollte Seidel wissen.
»Dass ich sie persönlich in den Flieger verfrachte, wenn sie nicht freiwillig geht.«
»Ja, aber …«
»Kein Aber«, mischte sich jetzt Kullmer ein. »Du solltest dich mal im Spiegel betrachten. Wenn einer Urlaub nötig hat, dann du. Die Abteilung wird nicht gleich in Flammen aufgehen, wenn du mal vier Wochen nicht da bist. Du hast schon deinen letzten Urlaub fast komplett verfallen lassen. Frank, ich komme mit, falls du Hilfe brauchst, Julia kann nämlich ziemlich wehrhaft sein, außerdem ist sie recht launisch geworden.«
»Jungs, macht euch keinen Kopf, ich fliege, und wenn ich wiederkomme, habt ihr mit dem Guru des Profilings den Fall gelöst. Das wäre mir das Liebste. Großes Indianerehrenwort.«
»Hoch und heilig?«
»Hoch und heilig. Und ruft an, wenn ihr in der Wohnung was Besonderes findet. Nein, ruft an, wenn ihr drin seid. Bis später.«
Dienstag, 15.10 Uhr
Der Bruckheim Verlag befand sich in einem großen Komplex in der Kleyerstraße, zusammen mit einer Werbeagentur, einem Fotostudio und einem Wertpapierunternehmen. Durant und Hellmer meldeten sich an der Rezeption an und wurden umgehend zum Verlagsleiter geführt.
»Hofstetter«, begrüßte er die Beamten und reichte ihnen die Hand. »Wenn Sie bitte eintreten wollen.«
Sie kamen in ein großes Büro, in dem zwei Frauen vor ihren Computern saßen, der riesige Tisch, der den halben Raum ausfüllte, war bedeckt mit Papierstapeln und Akten. Die Frauen schauten auf und grüßten, bevor Hofstetter die Tür hinter den Kommissaren schloss.
»Nehmen Sie bitte Platz«, sagte er und deutete auf drei mit schwarzem Leder bezogene Metallstühle, die um einen Glastisch standen. »Darf ich Ihnen etwas zu trinken anbieten? Einen Kaffee?«
»Dazu sage ich nicht nein«, antwortete Durant, die hoffte,
ihre Müdigkeit verscheuchen zu können.
»Sie auch?«, fragte Hofstetter Hellmer, der sich umsah.
»Gerne.«
Hofstetter, den Durant auf Mitte fünfzig schätzte, ging noch einmal nach nebenan und bat eine der Damen, drei Kaffee zu bringen. Dann setzte er sich zu ihnen: »Danke, dass Sie so schnell gekommen sind. Wir alle im Haus machen uns große Sorgen um Frau Uhlig. Sie ist die Zuverlässigkeit in Person, einfach nicht zu erscheinen entspricht nicht ihrem Stil. Und als Frau Neumann zu ihrer Wohnung gefahren ist und ihr Auto dort stehen sah, ihr aber selbst auf mehrfaches Klingeln und Klopfen nicht geöffnet wurde, haben wir sofort die Polizei verständigt.«
Der Kaffee und eine Schale Kekse wurden gebracht. »Bitte, greifen Sie zu«, sagte er, lehnte sich zurück und musterte die Beamten. Hofstetter war ein mittelgroßer, leicht fülliger Mann mit bayerischem Akzent, gekleidet mit einem leichten schwarzen Pulli, schwarzer Hose und schwarzen Schuhen.
»Kommen wir gleich zur Sache«, begann Durant. »Sie sagten, dass es nicht die Art von Frau Uhlig ist, nicht zum Dienst zu erscheinen, ohne sich zu entschuldigen …«
»Lassen Sie mich das kurz erläutern. Wir hatten für heute Vormittag um neun eine Titelsitzung anberaumt. Und Frau Uhlig ist für etwa die Hälfte dieser Titel aus dem Bereich Belletristik verantwortlich. Um halb zehn haben wir das erste Mal versucht, sie telefonisch zu erreichen, sowohl zu Hause als auch auf dem Handy, ohne Erfolg, wie Sie wissen. Bei ihr zu Hause sprang stets nur der Anrufbeantworter an, auf ihrem Handy die Mailbox. Danach probierten wir es bis zehn Uhr noch ein paarmal, schließlich haben wir notgedrungen ohne sie angefangen. Die Sitzung dauerte bis halb eins, aber Frau Uhlig war weiterhin nicht erreichbar. Daraufhin habe ich Frau Neumann gebeten, bei ihr vorbeizuschauen, es sind ja nur zehn Minuten mit dem Auto bis zu ihrer Wohnung. Frau Uhlig wohnt in Griesheim, aber das dürfte Ihnen bekannt sein. Ich nehme an, alles Weitere wissen Sie.«
»Könnte es Gründe für ihr unentschuldigtes Nichterscheinen geben? Streit mit den Kollegen, oder ist ihr die Arbeit über den Kopf gewachsen?«
Hofstetter schüttelte den Kopf und trank einen Schluck von dem noch heißen Kaffee.
»Nein, nichts von alledem. Die Kollegen sind ebenso ratlos wie ich. Sie war, solange ich hier bin, nie krank, sie hat meines Wissens nie gefehlt und sie hat schon gar keine wichtigen Termine versäumt. Wie schon erwähnt, auf sie ist hundertprozentig Verlass.«
»Haben Sie ein Foto von ihr?«
»Ja, natürlich, Frau Neumann wird Ihnen eins geben. Und ich wäre Ihnen sehr verbunden, wenn Sie auch noch mit
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