Mörderische Tage
doch wenn sie etwas sagt, hat es Hand und Fuß. Sie ist auch des Öfteren im Ausland, London, New York und so weiter, um über Lizenzen zu verhandeln, was sie perfekt beherrscht. Trotz ihrer Introvertiertheit kann sie energisch und durchsetzungsfähig sein. Sie hat schon so einige namhafte ausländische Autoren zu uns geholt.«
Durants Handy klingelte. Kullmer.
»Wollte nur Bescheid geben, dass wir drin sind. Bis jetzt nichts Auffälliges, außer dass die Wohnung blitzsauber ist. Das Auto der Uhlig steht direkt unter ihrem Fenster, das nehmen wir uns nachher vor. Kommt ihr noch vorbei?«
»Ja, aber ich kann noch nicht sagen, wann. Bleibt auf jeden Fall dort, ich will mir auch noch ein Bild machen. Bis dann.« Sie steckte das Telefon wieder ein und nickte Hofstetter zu.
»Erst einmal danke für Ihre Unterstützung, wir werden uns dann mal mit Frau Neumann unterhalten.«
»Ich bringe Sie zu ihr, sie müsste in ihrem Büro sein. Und egal, was ist, Sie können sich natürlich jederzeit an mich wenden. Hier, ich gebe Ihnen meine Karte und schreibe Ihnen auch meine Privatnummer dazu. Ich wäre Ihnen sehr verbunden, wenn Sie mich informieren würden, sobald Sie Neuigkeiten haben. Ich mache mir wirklich große Sorgen.«
Er reichte Durant die Karte und ging vor den Kommissaren einen langen Gang entlang, bis sie vor einer geöffneten Tür standen, die in ein kleines Büro führte mit einem PC, zwei hohen, vollgestopften Bücherregalen, zahllosen Manuskripten auf dem Schreibtisch, die von Gummiringen zusammengehalten wurden, und einem kleinen Tisch mit zwei Stühlen, auf denen sich ebenfalls Manuskripte stapelten. Der erste Eindruck, den Julia Durant gewann, war der des organisierten Chaos, der zweite der, dass Franziska Uhlig am liebsten allein war, sonst hätte sie die Stühle freigehalten, denn es gab nur eine freie Sitzgelegenheit, ihren Schreibtischstuhl.
»Hier ist das Büro von Frau Uhlig, im Moment leider verwaist, wie Sie sehen, direkt nebenan sitzt Frau Neumann …«
»Sagen Sie, sieht das hier immer so aus?«
Hofstetter lächelte und antwortete: »Das ist Frau Uhlig. Ich sagte Ihnen doch, sie geht in ihrer Arbeit auf, und ihr Büro ist ihr Heiligtum, zu dem sie nur ungern jemandem Zutritt gewährt. Wenn sie Besuch empfängt, Autoren zum Beispiel, dann geht sie mit ihnen ins Konferenzzimmer oder in ihr Stammlokal, wo sie auch jeden Mittag zwischen zwölf und halb zwei ihre Mittagspause verbringt. So, und nun gehen wir eine Tür weiter, und ich stelle Sie Frau Neumann vor.«
Martina Neumann war eine kleine, schlanke und wenig attraktive Person mit kurzen blonden Haaren, blauen Augen und einer Nase, deren Spitze bis fast zur Oberlippe reichte. Sie stand ruckartig auf, als Durant und Hellmer in Begleitung von Hofstetter ins Büro traten. Erst im Stehen sah man, wie klein sie wirklich war, sie ging Durant nur knapp bis zur Schulter.
Sie stellten sich gegenseitig vor, Durant bat Hofstetter, sie, Hellmer und Frau Neumann allein zu lassen.
»Selbstverständlich, Sie wissen ja, wo sich mein Büro befindet«, sagte er und verließ den Raum.
»Können wir die Tür schließen, oder gibt es einen anderen Ort, wo wir uns ungestört unterhalten können?«, fragte Durant, nachdem sie mit einem Blick festgestellt hatte, dass es bei Frau Neumann nur wenig anders als im Büro nebenan aussah.
Sie lächelte verlegen und antwortete: »Ich weiß, es sieht hier drin schlimm aus, aber solange ich mich zurechtfinde … Am besten gehen wir ins Konferenzzimmer.«
Dort nahmen sie an einem großen Tisch Platz, und Martina Neumann fragte: »Darf ich Ihnen einen Kaffee anbieten?«
»Ich hatte zwar eben schon einen, aber ich sage nicht nein«, antwortete Durant.
»Ich nehme auch gerne noch einen«, meldete sich Hellmer zu Wort.
Frau Neumann holte den Kaffee, setzte sich und fragte: »Wie kann ich Ihnen helfen?«
»Herr Hofstetter hat uns erzählt, dass Sie und Frau Uhlig sehr eng zusammenarbeiten. Er beschrieb Sie als eine Art Dreamteam …«
»Das ist sehr schmeichelhaft, aber wohl doch etwas übertrieben. Das ist Dr. Hofstetter, lieber ein bisschen mehr als zu wenig. Leider wirkt es sich nicht aufs Gehalt aus, obwohl wir seit Jahren eine Spitzenposition im deutschen Verlagsgeschäft einnehmen. Aber das behalten Sie bitte für sich. Ich bin trotzdem zufrieden. Haben Sie schon eine Spur von Franziska? Ich hoffe, es stört Sie nicht, wenn ich sie beim Vornamen nenne, aber wir kennen uns nun schon seit über zehn Jahren und …
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