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Mörderische Tage

Mörderische Tage

Titel: Mörderische Tage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Franz
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dir bald sehr hell vorkommen. Dann bringe ich dir jetzt ein paar Seheiben Brot und einen Krug Wasser und verabschiede mich für eine Weile. Ich werde aber regelmäßig vorbeischauen und nach dem Rechten sehen. Und noch etwas – versuch keine Dummheiten, ich sehe alles.«
    »Ist hier irgendwo eine Kamera?«
    »Nicht nur das. Ich höre alles und ich sehe alles. Ich möchte nämlich nicht, dass dir etwas zustößt oder du dir etwas antust.«
    »Und warum muss ich nackt sein?«
    »Du wiederholst dich. Aber gut, sagen wir, du bist nackt, weil es das Natürlichste der Welt ist. Auch Kleidung kann ablenkend wirken. Hast du alles verstanden?«
    Franziska Uhlig nickte nur.
    »Gut. Dann bis gleich, und fang ruhig schon an zu schreiben.«
    »Warten Sie noch. Wie soll ich Sie nennen?«
    «Professor. Das reicht.«
    »Betreiben Sie hier irgendwelche geheimen Studien?«
    »Gut kombiniert. Du darfst mich trotzdem duzen, ich würde es mir sogar wünschen. Professor und du. Einverstanden?«
    Mit plötzlich aufkeimendem Mut sagte sie: »Ich werde es mir überlegen. Sie sind ein Verbrecher, denn Sie halten mich gegen meinen Willen hier fest. Und Sie verlangen Dinge von mir, die ich nicht tun will.«
    »Franzi, Franzi, Franzi, das war nicht nett von dir. Aber gut, dieses eine Mal will ich dir das nachsehen, am Anfang reagieren alle etwas merkwürdig. Die ungewohnte Umgebung, das Gefühl, der Freiheit beraubt zu sein, nun ja, ich kann das verstehen. Iss und trink etwas, und du wirst sehen, wenn ich weg bin, werden die Gedanken nur so auf das Papier fließen. Und denk daran, Big Brother is watching you. Schreib, schreib, schreib, ich will sehen, wie du arbeitest. Als Lektorin weißt du doch, wie so was funktioniert.«
    Er wollte bereits gehen, als ihre Stimme ihn zurückhielt. »Warum ich? Warum ausgerechnet ich? Ich habe noch nie jemandem etwas getan. Warum?«
    »Weil ich dich auserwählt habe. Es ist ein Privileg, in dessen Genuss nur wenige Auserwählte kommen. Eine solche Erfahrung wirst du nie wieder machen. Außerdem kennen wir beide uns bereits, wir haben schon mehrfach fast nebeneinander gesessen, in der Kirche, wo du jeden Sonntag brav hingehst. Ich bin jedes Mal schräg hinter dir und deiner bezaubernden Freundin gesessen, mit der du eine so intensive Beziehung führst …«
    »Was meinen Sie mit Beziehung? Ich bin nicht lesbisch.«
    »Das weiß ich doch. Aber so habe ich dich gefunden, in der Kirche. Du hast so etwas Heiliges an dir, das hat mich vom ersten Moment an zu dir hingezogen. Viel zu vielen ist der Glaube doch längst abhanden gekommen. Auch darüber solltest du etwas schreiben. Zu Gott wird dir bestimmt eine Menge einfallen.«
    Ohne eine Erwiderung abzuwarten, verließ er den Raum, schloss hinter sich ab und kehrte kurz darauf mit einem großen Metallkrug voll Wasser, einem Metallbecher und fünf Scheiben Brot zurück.
    Franziska Uhlig hatte den Kopf in den Händen vergraben und weinte. Er tat, als bemerke er dies nicht, und ging wieder nach draußen. Sie schenkte sich Wasser ein und knabberte an dem Brot. Sie verspürte eine unendlich Tiefe, nie für möglich gehaltene Furcht und eine ebensolche Leere.
    Nach einer Weile nahm sie den Kugelschreiber zur Hand und begann sich Notizen zu machen. Und der Professor sollte recht behalten, das Licht wirkte nicht mehr so matt und fahl, wie sie es anfangs empfunden hatte, obgleich die unsägliche Angst ihre Hand zittern ließ und sie die meisten Buchstaben kaum leserlich hinkritzelte. Und immer wieder stieg ihr das Wasser in die Augen und tropfte auf das Papier. Während sie schrieb, suchte sie nach Erklärungen, warum der Mann ausgerechnet sie entführt hatte. Sie fand keine.
    Nachdem sie zwei Seiten beschrieben hatte, legte sie vorsichtig den Stift zur Seite, ließ sich auf die Pritsche sinken und deckte sich mit dem Laken zu. Alles in ihr vibrierte, die bedrückende Enge in dem kleinen Raum mit der hohen Decke flößte ihr zusätzlich Angst ein. Dazu diese Stille, diese unerträglich laute Stille, so still, dass sie jeden ihrer Atemzüge hörte, das Rauschen des Blutes in ihrem Kopf, ihren Herzschlag und ein seltsames Geräusch, das von ihren Haaren kam, wenn sie sich nur leicht bewegte. Eine wahnsinnig machende Stille. Nach einer Weile begann sie zu singen, und obwohl sie außer in der Kirche nie zuvor gesungen hatte, fielen ihr mit einem Mal Lieder ein, die sie längst vergessen zu haben geglaubt hatte. Kinderlieder. Und als ihr keine Kinderlieder mehr einfielen, sang sie

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