Mörderische Tage
anderen Mitarbeitern sprechen würden.«
»Das hatten wir ohnehin vor. Wie alt ist Frau Uhlig?«
»Siebenunddreißig. Sie hatte vor zwei Wochen Geburtstag.«
»Ist sie verheiratet, geschieden, alleinstehend?«
»Ledig. Über ihr Privatleben kann ich Ihnen nichts sagen, am ehesten könnten Sie darüber etwas von Frau Neumann erfahren. Sie ist die rechte Hand von Frau Uhlig, sie gehen meistens zusammen in die Mittagspause und sind ein gut eingespieltes Team. Deshalb habe ich Frau Neumann auch gebeten, bei Frau Uhlig vorbeizuschauen.«
»Was ist die Aufgabe von Frau Uhlig?«
»Sie ist Lektorin, arbeitet seit dreizehn Jahren bei uns, und wir sind mehr als glücklich, sie zu haben.« Er hielt für einen Moment inne, nippte an dem noch heißen Kaffee und fuhr mit einem Lächeln fort: »Wir nennen sie liebevoll unser Trüffelschwein, weil sie die besondere Gabe besitzt, die besten Autoren für uns zu entdecken. Wir bekommen jeden Tag unzählige unverlangt eingesandte Manuskripte, viele davon kaum das Papier wert, auf das sie geschrieben sind, oder sie passen nicht in unser Programm, aber hier und da sind welche darunter, die wir die Perlen nennen. Und glauben Sie mir, fast alle wurden bisher von ihr entdeckt. Sie hat ein unglaubliches Gespür für das, was sich verkaufen und eine breite Leserschaft ansprechen könnte. Deshalb Trüffelschwein, weil sie in einem Wust von Mist das Wertvolle sieht. Ohne zu übertreiben, kann man sagen, dass unser Verlag ohne Frau Uhlig nicht da wäre, wo er momentan steht, nämlich ganz weit oben. Sie hat namhafte Autoren entdeckt, die zum Teil über viele Jahre von anderen Verlagen abgelehnt wurden.«
Durant und Hellmer hatten aufmerksam zugehört, Hellmer hatte sich ein paar Notizen gemacht.
»Ruft das nicht auch Neider auf den Plan?«, fragte Durant.
»Natürlich, was glauben Sie denn? Das Verlagsgeschäft ist hart, jeder buhlt um die besten Autoren, die lukrativsten Lizenzen und, und, und … Frau Uhlig hat in den vergangenen Jahren mehrfach von anderen Verlagen Spitzenangebote bekommen, sie aber alle abgelehnt. Sie hat stets betont, dass sie sich bei uns wohl fühlt, und wir haben nun wahrlich keinen Grund, daran zu zweifeln.«
»Und wie ist es verlagsintern? Gibt es da eventuell Neider?«
»Nicht, dass ich davon wüsste. Wir legen großen Wert auf ein harmonisches Betriebsklima. Schauen Sie, ich bin ein alter Hase in dem Geschäft und habe viele Verlage kennengelernt, aber dieser hier ist der erste, wo alles oder zumindest fast alles stimmt. Aber das nur nebenbei.« Er machte erneut eine kurze Pause und fuhr dann fort: »Ich habe veranlasst, die Polizei so schnell zu verständigen, weil es ja in den letzten Monaten mehrere Fälle von vermissten und leider auch ermordeten Personen in Frankfurt gegeben hat, ich erinnere nur an die Tote am Schwanheimer Ufer. Und ich will ganz offen sein, ich habe Angst, dass ihr etwas in der Art zugestoßen sein könnte. Ich bin wirklich nicht der Typ, der gleich den Teufel an die Wand malt, aber es ist beunruhigend, wenn solche Dinge in so kurzer Abfolge passieren und dann auch noch eine unserer Mitarbeiterinnen verschwindet. Ich hoffe, Sie können meine Sorge nachvollziehen.«
»Das können wir, und wir sind Ihnen auch dankbar, dass Sie so schnell reagiert haben«, sagte Hellmer. »Nennen Sie doch bitte ein paar Eigenschaften von Frau Uhlig.«
Hofstetter musste nicht lange überlegen. »Strebsam, stets einsatzbereit, loyal, freundlich, bisweilen habe ich das Gefühl, als würde die Arbeit auch ihr Leben bestimmen, was natürlich nicht unbedingt das Ideale für eine noch so junge und nicht gerade unattraktive Frau ist. Sie nimmt sich regelmäßig Arbeit mit nach Hause, und ich bin fast sicher, sie verbringt auch die Wochenenden damit, Manuskripte zu lesen … Ansonsten fällt mir nichts ein.«
»Sie haben gesagt, sie ist ledig. War sie nie verheiratet?«
»Auch dazu könnte Ihnen am ehesten Frau Neumann etwas sagen.«
»Und ist Ihnen bekannt, ob sie eine Beziehung hat?«
»Tut mir leid, aber über ihr Privatleben ist mir nichts bekannt.«
»Ist sie kontaktfreudig, eher extrovertiert?«, fragte Durant.
Hofstetter wiegte den Kopf hin und her, schürzte die Lippen und antwortete nach einigem Überlegen: »Das ist schwer zu beschreiben. Ich würde sagen, sie ist eher introvertiert, obwohl sie bei geselligen Anlässen wie zum Beispiel Weihnachtsfeiern oder dem Sommerfest auch mal aus sich herausgehen kann. Aber sie ist keine Plaudertasche,
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