Mörderische Tage
Frank, ich habe lediglich einen Vergleich gezogen. Er hat uns kontaktiert, aber nicht wie unsere bisherigen Serienkiller, indem sie uns irgendwas schicken oder uns verhöhnen, nein, er geht wesentlich subtiler vor. Eiskalt, da stimme ich dir zu, monströs, da stimme ich dir bedingt zu, aber, und das musst du zugeben, in jedem Fall clever und gerissen. Und ich bleibe dabei, wir haben es mit dem vielleicht intelligentesten Killer zu tun, der jemals in Frankfurt sein Unwesen getrieben hat, nur haben wir seine Botschaft bisher nicht verstanden. Und weil wir ihn nicht verstehen, wird er sich mit Sicherheit schon bald etwas Neues einfallen lassen, damit wir Deppen, die wir in seinen Augen sind, ihn endlich begreifen. Deshalb bin ich davon überzeugt, dass er schon recht bald Kontakt mit uns aufnehmen wird.«
»Meine Herren, ich finde diese Diskussion sehr interessant und aufschlussreich und kann Ihre Gedankengänge gut nachvollziehen.« Berger beugte sich nach vorn, die Hände gefaltet. »Ich gebe Ihnen beiden recht. Nur können wir leider bis jetzt keine Ergebnisse vorweisen, und da ist Kollege Hellmer noch im Vorteil mit seiner Argumentation. Herr Kullmer, wenn Sie so überzeugt sind, dass wir es mit einem kongenialen Serienmörder zu tun haben, der uns mit seinem IQ um Welten überlegen ist, dann sollten Sie sich eine Strategie ausdenken, wie wir mit unserer Erfahrung dieses Defizit ausgleichen können. In Frau Seidel, die sich sehr dezent zurückgehalten hat, haben Sie ja eine gute Mitarbeiterin. Und Herr Hellmer, ich würde nicht alles gleich in Frage stellen, was hier an Argumenten vorgebracht wird. Ich kann Ihre Wut und Ihren Zorn verstehen, nur geht es in allererster Linie darum, dass wir kooperieren. Das war die Stärke unserer Abteilung in den vergangenen Jahren, und ich möchte, dass das so bleibt. Wir sind ein eingespieltes Team, nur gewinne ich immer mehr den Eindruck, dass dieser Fall einige von uns überfordert, nicht nur in unserem kleinen Rahmen, sondern innerhalb der Soko insgesamt.«
»Wir kriegen doch am Montag tatkräftige Unterstützung«, sagte Hellmer mit leicht säuerlicher Miene.
»Richtig, und das ist auch gut so. Jemand, der unsere Abteilung nicht kennt und unvoreingenommen an die Sache herangeht, findet womöglich eher den Schlüssel zur Lösung des Falls. Leider, und dieses >leider< bitte ich Sie eindringlich für sich zu behalten, steht uns Frau Durant in den nächsten vier Wochen nicht zur Verfügung. Ich hoffe, wir haben bis zu ihrer Rückkehr die Sache vom Tisch, wenn nicht, muss sie gleich wieder kräftig mit anpacken.«
»Chef«, mischte sich jetzt zum ersten Mal Doris Seidel ein, »Sie haben selbst gesehen, dass sie völlig ausgepowert ist. Sie wäre uns in ihrer jetzigen Verfassung keine Hilfe. Wir dürfen ihr unter gar keinen Umständen das Gefühl vermitteln, dass wir sie eigentlich doch ganz gut gebrauchen könnten. Wir alle hatten in den vergangenen Jahren unseren regelmäßigen Jahresurlaub, Julia nicht. Sie hat sich regelrecht aufgeopfert, und das kann auf Dauer nicht gutgehen. Wir verlieren sie sonst noch.«
»Korrekt«, pflichtete ihr Hellmer nickend bei und hielt den rechten Daumen hoch.
»Absolut«, stimmte auch Kullmer zu.
»Dann sind wir uns ja einig. Ich habe heute Mittag kurz mit Frau Durant unter vier Augen gesprochen und ihr sehr deutlich zu verstehen gegeben, dass ich sie vor dem dreiundzwanzigsten Juli nicht im Präsidium sehen will«, sagte Berger, lehnte sich wieder zurück und schaute auf seine Armbanduhr. »Da wir heute ohnehin nichts mehr ausrichten können, würde ich vorschlagen, machen wir uns auf den Heimweg.«
Hellmer sagte: »Ich werde gleich noch mal bei Jung vorbeifahren, liegt ja quasi auf meinem Heimweg. Entweder ist er zu Hause geblieben, oder jemand hütet sein Haus.«
»Und wenn? Glaubst du etwa, der Marketingchef des Verlags, in dem die Uhlig arbeitet, ist unser Mörder und Entführer? Er würde ja dann nicht nur für die Entführungen verantwortlich zeichnen, sondern auch für den Tod der Schweigert und die Morde an Weiß und Peters. Bisschen zu simpel, finde ich«, sagte Kullmer und schlug lässig die Beine übereinander. »Unser Mann ist viel cleverer, er würde nicht einen so dummen Anfängerfehler begehen und uns zu seinem Arbeitsplatz führen. Er ist definitiv nicht im direkten Umfeld der Uhlig zu suchen.«
»Aber angeblich kann er uns mehr über die Uhlig sagen als die meisten anderen. Merkwürdig nur, dass das der Neumann nicht
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