Mörderische Tage
Seidel ging um den Tisch herum und flüsterte Schwarz ins Ohr: »Wissen Sie was – Sie kotzen mich an. Wenn ich könnte, wie ich wollte, würde ich Ihnen nicht nur die Fresse polieren, sondern Ihnen auch noch … Lassen wir das.« Sie begab sich wieder auf die andere Seite und sprach normal weiter, so dass es auch Kullmer von der Tür aus hören konnte: »Und noch etwas: Das Buch, an dem Sie schreiben, wird nie veröffentlicht werden, da wir sämtliche Hintergrundinformationen einkassieren werden, außerdem werden unsere Computerspezialisten alle Dateien, die mit diesem Buch zu tun haben, professionell löschen, sowohl von Ihrer Festplatte als auch von anderen Speichermedien. Nur damit Ihnen das klar ist.«
»Wie kommen Sie dazu? Das ist mein Lebenswerk! Das ist ein Eingriff in die Privatsphäre und …«
»Und für uns ist Ihr sogenanntes Lebenswerk ein Eingriff in laufende Ermittlungen. Wir ermitteln in einer Mordserie, und Sie können gar nicht so blöd sein, als dass Sie nicht wüssten, dass Ihr Buch und unsere Ermittlungen zusammenhängen. Und noch etwas – Sie werden mit niemandem über Ihre Erkenntnisse sprechen, sollten Sie es doch wagen, stehen wir wieder auf der Matte, und dann wird es für Sie um einiges unangenehmer, das garantiere ich Ihnen. Haben wir uns verstanden?«
»Und was soll aus meinem Buch werden?«
»Lassen Sie doch Ihrer blühenden Phantasie freien Lauf. Ihnen wird schon was Neues einfallen. Zwei Beamte aus der KTU werden Sie nach Hause bringen und die entsprechenden Dateien löschen und alles mitnehmen, was nach Speichermedien aussieht. Dr. Hofstetter wird ganz sicher Verständnis für Ihre Lage aufbringen.«
»Dürfen Sie das überhaupt?«
»Mir ist scheißegal, ob ich das darf oder nicht, aber ich werde zu verhindern wissen, dass die Öffentlichkeit Details über eine Mordserie erfährt, die sie nichts angeht, auch wenn diese Informationen nur in einem Tatsachenroman erwähnt werden. Künstlerische Freiheit hin oder her, im Augenblick geht es allein um Ihre Freiheit und unsere Freiheit beim Ermitteln. Und Ihre Freiheit sollte Ihnen doch wohl mehr wert sein als ein schnöder Krimi?«
»Das Buch soll doch erst im Dezember erscheinen«, entgegnete er mit weinerlicher Stimme.
»Das ist mir wurscht. Solange wir am Ball sind, haben Sie auf dem Spielfeld nichts verloren. Vielleicht können Sie ja in ein paar Jahren darüber schreiben, was ich allerdings stark bezweifle, da die bei Ihnen sichergestellten Akten für immer und ewig unter Verschluss gehalten werden. Ich werde mich im Übrigen mit Dr. Hofstetter kurzschließen und ihm von unserem Gespräch berichten. Weiß er eigentlich, was das Thema Ihres Buchs ist?«
Keine Antwort.
»Weiß er's oder weiß er's nicht?«
»Ja, verdammt noch mal! Bevor ich ein Manuskript abgebe, will der Verlag immer ein Expose haben. Diesmal haben sie aber nicht nur ein Expose bekommen, ich habe mit Hofstetter zwei Stunden zusammengesessen, und wir haben den Roman besprochen. Zufrieden?«
»Wann war das?«
»Im Januar, nach den Weihnachtsferien. Ich hatte ja genügend Zeit, den Fall Gernot zu studieren, und kam nicht unvorbereitet zu Hofstetter.«
»Wie hat er reagiert?«
»Tolle Story, hat er gesagt.«
»Wusste er, dass es ein Tatsachenroman werden würde?«
»Ja und nein, ich wollte ihm nicht alles auf die Nase binden.«
»Okay, das war's schon. Hat doch nicht weh getan, oder?«
Sie machte eine Handbewegung, die Tür ging auf, und Kullmer und zwei Beamte von der Kriminaltechnik betraten den Raum.
»Können wir?«
»Wir sind fertig – für den Moment. Und denken Sie daran, wir behalten Sie im Auge. Halten Sie sich zu unserer Verfügung, es könnte sein, dass wir noch die eine oder andere Frage haben.«
»Noch ein Grund mehr, nach Irland auszuwandern«, spie er Seidel entgegen.
»Eine Ratte weniger in Deutschland«, sagte Seidel zu Kullmer, als Schwarz und die beiden anderen Beamten den Raum verlassen hatten.
»Du bist ganz schön hart mit ihm umgesprungen. So kenn
ich dich gar nicht.«
»Und, was dagegen?«
»He, ich hab dir doch nichts getan.«
»Tut mir leid. Aber jetzt, da Julia für vier Wochen ausfällt, muss ja irgendwer ihren Part übernehmen. Ich wollte mal sehen, ob ich das kann.«
»Es ist dir hervorragend gelungen.«
»Danke. Und jetzt will ich nach Hause. Ich habe Hunger, mir tun die Füße weh und …«
»Ja, ich will auch heim. Und dennoch, ich trau dem Typen nicht über den Weg. Lass ihn nach Irland gehen und dort
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