Mörderische Tage
seine Geschichte schreiben. Dann sind wir machtlos. Außerdem kann ich mir gut vorstellen, dass er sich Kopien von dem ganzen Zeug gemacht und die irgendwo deponiert hat. Der ist schlauer, als wir denken. Wir sollten ihn wenigstens eine Weile beobachten lassen.«
»Das können wir alles morgen mit Berger besprechen. Ich bin nur noch kaputt.«
Mittwoch, 23.58 Uhr
Sylvia und Wolfgang waren pünktlich gewesen, wie man es nicht anders von ihnen gewohnt war, er allerdings hatte um kurz vor acht von unterwegs aus angerufen, dass es sehr viel später werde würde, da er eine dringende berufliche Verabredung habe. Rahel war darüber natürlich alles andere als erfreut und ließ ihn das auch spüren, doch er bat sie um Entschuldigung, er werde es ganz bestimmt wiedergutmachen.
Rahel hatte sich mit ihren Gästen beim Essen gut unterhalten (zumindest gab sie den Anschein), es wurde viel gelacht und in alten Erinnerungen geschwelgt. Je später es wurde, desto öfter tastete sie ein paarmal unauffällig ihre Uhr ab, in der Hoffnung, ihr Mann würde doch noch für wenigstens ein paar Minuten zu ihnen stoßen. Ob das mit der beruflichen Verabredung der Wahrheit entsprach, vermochte sie nicht zu beurteilen, so oder so ärgerte sie sich darüber. Zumal sie wusste, dass er vor allem gegen Wolfgang eine gewisse Aversion hegte, die sie in manchen Momenten sogar nachvollziehen konnte. Einmal hatte er sogar geäußert, dass er Wolfgang bisweilen am liebsten den Hals umdrehen mochte, aber dann hatte er gelacht, und sie war beruhigt gewesen.
Als er gegen halb zwölf endlich eintraf, trank er noch ein Glas Wein mit ihnen und hoffte dabei, Sylvia und Wolfgang würden bald gehen, denn er hatte noch viel vor – nicht nur in dieser Nacht, sondern auch in den kommenden Tagen und Nächten und Wochen, Wochen, in denen er die Polizei zur Verzweiflung treiben würde.
Glücklicherweise verabschiedeten sich ihre Gäste kurz darauf, da Wolfgang schon um sieben wieder aus den Federn musste und sie noch eine längere Strecke bis hinter Butzbach vor sich hatten.
Sie begleiteten Wolfgang und Sylvia bis zum Auto und verabschiedeten sich mit Küsschen und Umarmung von ihnen. Wieder im Haus, sagte sie: »Puh, das war anstrengend.«
»Wie meinst du das?«
»Ich glaube, es liegt an Wolfgangs Stimme. Dieses Monotone und gleichzeitig Durchdringende, das macht mich so total meschugge, dass ich Kopfschmerzen davon bekomme. Früher war er ja ganz gut zu ertragen, aber mittlerweile redet er wie ein Wasserfall, das wird von Mal zu Mal schlimmer. Na ja, zum Glück sehen wir uns nicht so oft.«
»Heute Nachmittag hast du noch gesagt, sie seien unsere besten Freunde.«
»Wir haben uns fast ein halbes Jahr nicht gesehen, und ich dachte … Ach, vergessen wir das einfach, ich bin nicht sonderlich gut drauf. Und dass du mich die ganze Zeit mit ihnen allein gelassen hast, nehme ich dir ziemlich übel. Hattest du wirklich eine berufliche Verabredung?«
»Was denn sonst? Schatz, es ist meine Arbeit, nur und ausschließlich meine Arbeit. Ich habe keine Geliebte, falls du darauf hinauswillst. Mit dir könnte sowieso keine mithalten. Ich kann doch nichts dafür, ich bekam einen Anruf vom Chef, als ich unterwegs war, und wurde gebeten, dringend … Bitte, ich kann auch alles hinschmeißen, aber damit würde ich meinen Lebenstraum begraben. Nicht böse sein, bitte, sonst bin ich nicht klar im Kopf, und genau das muss ich gerade jetzt sein. Wenn das alles vorbei ist, hab ich auch wieder mehr Zeit für dich, ganz großes Ehrenwort. Ich liebe dich.«
»Ich weiß ja, dass du zur Hälfte mit mir und zur andern Hälfte mit deiner Arbeit verheiratet bist, aber manchmal wünschte ich, ich hätte ein bisschen mehr von dir. Kannst du das verstehen?«
»Schon, mir geht's doch genauso. Bist du müde?«
»Ich bin's ja gewohnt, von dir allein gelassen zu werden. Und ja, ich bin todmüde und sollte zu Bett gehen. Und du? Kommst du auch oder musst du noch was tun?«
»Tut mir leid, Liebling, aber ich muss tatsächlich noch einiges aufarbeiten. Das kann nicht mehr warten. Tut mir wirklich leid. Ich hoffe auch, dass ich bald damit durch bin.«
»Ich werde mich schon noch irgendwann damit abfinden, einen vielbeschäftigten Mann zu haben«, sagte sie schmollend. »Irgendwann, wenn ich alt und grau bin.«
»Bald wird's ruhiger, das verspreche ich dir. Dann habe ich auch wieder mehr Zeit für dich, das schwöre ich bei allem, was mir heilig ist. Mach mir kein schlechtes
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