Mörderische Tage
wieder unter. Er hinterließ keine Spuren. Er war ein Phantom der Nacht, unberechenbar, zu allem fähig. Und wie ein Phantom würde er sich nie eine Blöße geben und sichtbar werden, deshalb würde auch der intelligenteste und modernste Polizeiapparat ihn nicht fassen. Er war der Polizei um Lichtjahre voraus, wie ein Wesen aus einem anderen Universum, das Quantensprünge in der Evolution hinter sich hatte.
Er stieg die dreiundvierzig ausgetretenen grauen Steinstufen hinunter und schloss eine Zelle auf. Paulina und Karolina sahen ihn an, den bärtigen Mann mit der dunklen Brille. Ihr Blick war so erwartungsvoll wie immer, wenn die Tür aufging. Er freute sich auf die kommenden Stunden, vor allem, da die zwei jungen Damen noch nicht wussten, was gleich mit ihnen geschehen würde. Sie würden schreien wegen der Schmerzen, sie würden winseln, weinen, um ihr erbärmliches Leben betteln, ihm Angebote aller Art machen und ihm versprechen, alles zu tun, was er von ihnen verlangte. Aber er kannte dieses Spiel zu Genüge und würde sich nicht davon beeindrucken lassen. Paulinas und Karolinas Lebensuhren waren abgelaufen.
Donnerstag, 1.10 Uhr
Er hatte sein Werk vollendet, ein Werk, das Karolina die schlimmsten Qualen bereitet hatte, die ein Mensch zu ertragen fähig war, ohne an den zugefügten Schmerzen zu sterben. Für sie war es eine Tortur, eine Folter wie im Mittelalter, für ihn Genuss und Befriedigung, während Paulina, an den anderen Tisch gekettet, mit vor Grauen geweiteten Augen die unendlich lange Szene beobachtete und schrie, bis es nur noch ein heiseres Krächzen war.
Was ihm besondere Befriedigung verschaffte, war der entsetzte Blick und das alles durchdringende Schreien von Franziska Uhlig, deren Tür er aufgeschlossen und deren Hände er mit Handschellen an einen in die Wand gemauerten Eisenring gekettet hatte. Vor ihren Augen hatte er Karolina gequält und gefoltert, mit Messern, Haken, Nägeln, Feuer und anderen Utensilien, bis er ihr nach über einer Stunde mit einem Dolch den Todesstoß mitten ins Herz versetzte. Danach wartete er noch eine Weile, zog einen langen, tiefen Schnitt durch Karolinas Kehle, woraufhin Paulina noch einmal alles aus ihren Stimmbändern herausholte, an den Lederriemen um ihre Hand- und Fußgelenke riss und riss und riss und schier wahnsinnig zu werden drohte, was ihm besondere Freude bereitete.
Zum Abschluss schnitt er Karolina die Augen heraus, legte sie in ein beschriftetes Einweckglas und stellte dieses neben mehrere andere auf ein breites Regal.
Nun wandte er sich Paulina zu, streichelte ihr durchs Haar, sah sie beinahe liebevoll an, nahm eine Kette und sagte: »Keine Angst, meine Liebe, das, was deiner Freundin widerfahren ist, bleibt dir erspart. Dein Tod wird angenehmer und schneller sein.« Nach diesen Worten legte er die schwere Eisenkette um Paulinas Hals und zog mit einem kräftigen Ruck zu. Sie konnte nicht mehr schreien, ihre Augen waren so geweitet, als fielen sie gleich aus den Höhlen, bis nach nicht einmal einer Minute auch aus ihr jegliches Leben gewichen war. Zuletzt vollzog er ein Ritual, das die Polizei vollends aus dem Konzept bringen würde. Insbesondere Julia Durant.
Ihre Körper lagen auf speziellen, leicht nach unten geneigten Foltertischen, die schon Hunderte von Jahren in diesem Gewölbe standen und Tausende und Abertausende von Schreien erlebt hatten. Männer und Frauen waren hier gestreckt worden, um Geständnisse zu erpressen, Geständnisse, die meist so falsch waren wie die Anschuldigungen, wegen derer sie in dieses Gefängnis gebracht worden waren.
Nachdem Karolinas Körper nahezu ganz ausgeblutet war, drehte er sich um und ging zu Franziska Uhlig. Er trug die über und über mit Blut besudelte Kleidung eines Schlachters, eine Kleidung, die er ausschließlich hier unten trug. Breitbeinig stand er vor ihr, blickte auf sie hinab und sagte mit einer Sanftheit, die zynischer nicht hätte sein können: »Und, hat es dir gefallen?«
Sie war unfähig zu sprechen, sie wagte kaum, ihn anzusehen, so sehr hielt sie die Angst gepackt, ihr würde dasselbe Schicksal widerfahren wie Karolina oder Paulina, ihr Herz pochte wie wild in ihrer Brust, sie versuchte ein weiteres Mal in dem kaum erkennbaren Gesicht zu lesen, doch die Augen waren von der dunklen Brille verdeckt, der dichte Bart tat ein Übriges. Sie wünschte sich nur noch, ohnmächtig zu werden, doch dieser Wunsch blieb unerfüllt.
»Ja«, sagte er, »beim ersten Mal ist es immer
Weitere Kostenlose Bücher