Mörderische Tage
schreiben, wobei ihre Schrift – nach dem eben Erlebten – ungelenk wie bei einer Analphabetin wirkte, der gerade beigebracht wurde, wie man einen Buchstaben zu Papier bringt. Sie hörte, wie der Schlüssel umgedreht wurde.
Er wusch die Leichen von Kopf bis Fuß, bis bei Karolina nur noch die Wunden und bei Paulina die blutunterlaufenen Augen und der Abdruck der Kette an ihrem Hals zu erkennen waren, danach kämmte er lächelnd den jungen Frauen die Haare und zog Karolina ihre Kleider an. Als er fertig war, drehte er erst Karolina und anschließend Paulina auf den Rücken und verknotete Karolinas Arme mit einem dünnen Seil. Ein simpler Seemannsknoten, nichts Ungewöhnliches. Für Paulina hatte er sich etwas Besonderes ausgedacht, es fing bei den Brüsten an und endete mit einer goldenen Nadel, die er ihr durch die Schamlippen stach, bevor er auch sie ankleidete.
Zufrieden betrachtete er sein Werk und legte Paulina und Karolina schließlich in jeweils einen Leichensack und brachte sie nacheinander zu seinem Wagen. Er hatte das Nachtsichtgerät auf, um mögliche Eindringlinge sofort auszumachen. Doch außer ein paar Tieren war niemand zu sehen.
Er verfrachtete seine Opfer, die in den letzten Monaten etliche Kilo an Gewicht verloren hatten, in den Kofferraum, machte die Abdeckung zu und schloss die Klappe so leise wie möglich. Abschließend zog er die Knastklamotten, wie er sie nannte, aus und seine normalen Sachen an und sah noch kurz nach den anderen Frauen, wobei ihn diesmal besonders Karin Slomka interessierte, die lethargisch und völlig von dieser Welt entrückt schien. In welcher Welt auch immer sie sich befand, sie würde nie wieder in jene Welt zurückkehren, in der sie noch vor einem halben Jahr zu Hause gewesen war. Kein Malen, kein Kammerorchester, nie mehr hinter dem Tresen der Apotheke stehen, nie mehr Hausaufgaben mit dem Sohn machen, keine Gespräche mehr mit der Mutter, kein Besuch mehr in der Kirche, nie mehr zur monatlichen Beichte. Nichts war mehr so, wie es einst gewesen war. Sie war weit, weit weg, so weit, dass keiner mehr Zugang zu ihr hatte. Und genau so wollte er sie haben, so hatte er sie geformt, sie war eines seiner vielen Gesellenstücke, die Meisterstücke warteten noch auf ihn.
Eigentlich wäre sie bereits heute an der Reihe gewesen, zusammen mit Pauline Mertens, doch er hatte seinen Plan kurzfristig abgewandelt, denn er war ein Spieler, und dieser Schachzug kam einem Geniestreich gleich. Heute war noch nicht der Tag oder die Nacht für Karin Slomka und Pauline Mertens, morgen vielleicht oder übermorgen oder in drei Tagen. Er würde die Dinge sich entwickeln lassen und dann entscheiden.
Er nahm die Perücke, den Bart und die Brille ab und begab sich nach oben. Wie immer achtete er sorgfältig darauf, dass die Eisentür gut verschlossen war, schlug sich an die Stirn, ging noch einmal hinein und stellte die Musik ab, der Karolina und Paulina während der vergangenen sechs Monate ausgesetzt waren. Ihr braucht jetzt keine Musik mehr, dachte er zynisch lächelnd, ihr hört höchstens noch die himmlischen Chöre singen.
Er verließ den Reiterhof, setzte das Nachtsichtgerät ab, verschloss das Tor, überprüfte noch einmal, ob der Elektrozaun auch aktiviert war, und machte sich auf den Weg in Richtung Frankfurt, begleitet von einem noch fernen Wetterleuchten. Etwas abseits eines im Dunkeln liegenden Wohnviertels im Stadtteil Zeilsheim hielt er an, holte Paulina aus dem Leichensack und legte sie neben den Gehweg in das feuchte Gras – es hatte in den letzten Stunden genieselt, aber noch nicht genug, um die Erde aufzuweichen.
Paulinas Aufbahrung dauerte nicht länger als zwei Minuten, danach setzte er sich wieder in seinen Range Rover und fuhr weiter. Als er nach kaum zwanzig Minuten an seinem nächsten Ziel anlangte, legte er den Leichnam wie Müll zwischen zwei Bäume direkt neben einem Spazierweg, während etwa hundert Meter von ihm entfernt Autos vorbeirasten. Irgendwer würde sie in ein paar Stunden oder Tagen oder erst in ein paar Wochen finden, wenn der unerträgliche Gestank der Verwesung noch in fünfzig Metern Entfernung wahrzunehmen sein würde. Vielleicht nahm ein Hund bereits morgen Witterung auf. Aber es würde bald anfangen zu regnen und dann würde sich kaum jemand in dieser Gegend aufhalten. Er zuckte die Schultern.
Als er sich wieder in sein Auto setzte, war aus dem Wetterleuchten bereits erstes Donnergrollen geworden, Blitze zuckten über den Himmel und machten
Weitere Kostenlose Bücher