Mörderische Tage
ging zu Bett. Rahel lag auf dem Rücken und atmete kaum hörbar, die Bettdecke war bis zu den Oberschenkeln heruntergerutscht. Er berührte ganz leicht ihr Gesicht und ließ seine Hand weiter nach unten gleiten, ohne zu festen Druck auszuüben, sie schnurrte zufrieden und drehte sich langsam auf die Seite, ihr Gesicht fast an seinem. Er spürte ihren Atem auf der Haut und erschrak fast, als sie plötzlich sagte: »Hast du bis jetzt gearbeitet?«
»Hm.«
»Wie spät ist es?«
»Sehr spät.«
»Du wolltest doch in zwei Stunden hier sein. Wer so viel arbeitet wie du, erleidet mit spätestens vierzig den ersten Herzinfarkt.«
»Ich will ficken«, sagte er leise, ohne auf ihre Bemerkung einzugehen.
»Dann komm und fick mich, du wilder Stier.«
Sie fasste ihm zwischen die Beine und lächelte, was er in der Dunkelheit nur erahnen konnte. Er liebte es, wenn sie ihn so anfasste, nach seinem Körper gierte, mit diesem festen, keinen Widerstand zulassenden Druck. Auf eine gewisse Weise ähnelten sie sich, weshalb sie auch die einzige Person war, die er liebte, zumindest was er darunter verstand. Eine chemische Verbindung, eine physikalische Anziehung, bedingt durch Düfte, Berührungen, Stimmlage. Und am meisten liebte er sie, wenn er einen solch erfolgreichen Tag und eine noch erfolgreichere Nacht wie diese hinter sich gebracht hatte.
Donnerstag, 7.30 Uhr
»Ausgeschlafen?«, fragte Hellmer, als Julia Durant ins Büro kam.
»Geht so. War noch was?«
»Nichts Besonderes.« Hellmer verzichtete darauf, seinen Besuch bei Lara und Frederik Jung zu erwähnen. »Berger war ein bisschen angepisst, dass du nicht wenigstens kurz mit hochgekommen bist. Ich hab ihn beruhigt und ihm gesagt, dass ich dich heimgeschickt habe. Nur damit du Bescheid weißt.«
»Danke. Und sonst?«
»Was und sonst?« Hellmer sah Durant fragend an.
»Standardfrage, vergiss es.« Sie nahm hinter ihrem Schreibtisch Platz. »Was machst du eigentlich so früh schon hier?«
»Dasselbe könnte ich dich fragen«, entgegnete Hellmer grinsend. »Normalerweise …«
»Komme ich nicht vor acht, du aber auch nicht. Die Nacht war ruhig?«
»Nein. Vor etwa einer Stunde wurde die Leiche einer jungen Frau in Zeilsheim gefunden. Ein paar Kollegen vom KDD und der KTU sind bereits vor Ort. Hat aber vermutlich nichts mit unserem Fall zu tun. Sie ist vollständig bekleidet und wurde allem Anschein nach erwürgt oder erdrosselt.«
»Und wenn doch?«
»Was, wenn doch?«
»Wenn es doch mit unserem Fall zu tun hat?«
»Nein, mit großer Wahrscheinlichkeit nicht, wie Kunze gerade eben telefonisch durchgegeben hat. Er tippt entweder auf eine Beziehungstat oder einen Überfall. Wir können ja gleich mal hinfahren.«
»Würde ich gerne, aber …«
In dem Moment ging die Tür auf, und Kullmer und Seidel traten ein. Kullmer trug einen dicken und schweren Ordner unter dem Arm.
»Hi. Ist der Chef schon da?«, fragte Kullmer.
»Ja. Was hast du da?«, antwortete Hellmer und deutete auf das Aktenpaket.
»Lasst euch überraschen«, entgegnete er, ohne eine Miene zu verziehen. »Gehen wir rüber, das hier wird auch den Chef interessieren, das garantiere ich euch.«
Sie begaben sich zu Berger, der noch in seiner Zeitung blätterte, sie jedoch sofort zur Seite legte, als die vier Beamten in sein Büro traten.
»Morgen, Chef«, sagte Kullmer.
»Sie alle so früh? Herr Hellmer und Frau Durant, ich möchte Sie bitten …«
»Ja, gleich, KDD ist doch schon vor Ort«, fiel ihm Hellmer ins Wort.
»Was ist passiert?«, fragte Seidel und neigte den Kopf ein wenig zur Seite.
»Eine junge Frau in Zeilsheim. Passt aber nicht zu unseren bisherigen Opfern. Es soll auch noch andere Gewalttäter geben.«
»Hier, Chef«, sagte Kullmer und legte die überquellende Aktenmappe auf den Schreibtisch. »Ich nehme an, das ist das, wonach Sie suchen.«
»Wonach suche ich denn?«, fragte Berger irritiert.
»Gernot.«
»Was? Woher haben Sie das?«
»Günter Schwarz, dieser Autor. Wir waren gestern Abend bei ihm und haben das gefunden. Das dürfte der gesamte Vorgang sein, Pi mal Daumen so um die acht- bis neunhundert Seiten.«
»Wie ist Schwarz an das Material gelangt?«, fragte Durant fassungslos.
»Angeblich hat's ihm ein Kurier Ende November, Anfang Dezember gebracht. Abends natürlich, als es dunkel war. Wir haben den Kerl gestern Abend noch hier vernommen, ein echter Kotzbrocken. Kein Wunder, dass die Uhlig nichts mit ihm zu tun haben wollte. Arrogant und schleimig. Doris hat
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