Mörderische Vergangenheit (German Edition)
blickte hinter dem Vorhang auf die Bühne und ins Publikum. Er sprach wieder in sein Funkgerät,
„Ist in den letzten zehn Minuten jemand hereingekommen, den ihr ni cht auf Waffen kontrolliert habt?“
Nacheinander meldeten sich die Posten.
„Hier nicht!“, „Hier auch nicht!“,
„Nur der Sanitäter, aber den hatten wir ja schon überprüft!“, sagte einer,
„Und der ist definitiv kein Chinese!“
„Habt ihr au ch den Krankenwagen gründlich auf Waffen durchsucht?“
„Dafür bin i ch nicht zuständig!“, verteidigte sich der Posten.
Reinhard hielt sich nicht mit Schuldzuweisungen oder Beschimpfungen auf, er verständigte sämtliche Beamten über Funk, denn er kannte nun die Verkleidung des Attentäters.
„Vergesst den Feuerwehrmann! Es ist der Sanitäter. Schaltet ihn aus!“
Reinhard musste das Risiko eingehen, womöglich einen Unschuldigen liquidieren zu lassen. Es wäre nicht das erste Mal in seiner Laufbahn. Doch sein Gefühl sagte ihm, dass er richtig lag. Sämtliche Si cherheitskräfte rannten mit durchgeladenen Waffen zu der Trage in der Ecke des Raums, bereit sofort abzudrücken. Doch der Sanitäter war bereits verschwunden. Reinhard stürmte auf die Bühne, um seinen Präsidenten in Deckung zu bringen. Er wusste genau, wo ein Schütze sein musste, um zu treffen. Genau dort, wo Reinhard ursprünglich Posten bezogen hatte. Auf der Balustrade bei den Scheinwerfern. „Um Gottes willen, ich Idiot!“
Die Lampen blendeten den Soldaten, er glaubte denno ch, oben einen Schatten zu sehen und schoss auf die Lichtquellen. Doch Keppler ließ sich nicht aufhalten. Er konnte nur leben, wenn Erickson starb. Sein Leiden war mit dem Präsidenten verknüpft. Wenn er den tötete, war er frei. Und sein Land hätte in der Zukunft bloß einen anderen Anführer! Keppler hatte das Gewehr aus dem Fundus des Schläfers in aller Ruhe zusammengesetzt, während alle auf der Jagd nach dem Feuerwehrmann gewesen waren. Jetzt befand sich Erickson genau in seinem Visier und Keppler spürte wieder diesen Schmerz, von dem er sich nur auf eine Weise befreien konnte. Reinhards Kugeln schlugen neben ihm ein und zerfetzten die Scheinwerfer-Gläser. Kepplers Schuss saß dennoch. Erickson fiel zu Boden und riss den Mikrofonständer um, ehe Reinhard ihn erreichen konnte. Die übrigen Agenten deckten die Balustrade nun mit Garben ihrer automatischen Waffen ein, während der wache Teil des Publikums panisch aufschrie. Gleichzeitig hetzten drei Agenten die Treppe hinauf. Die Schützen von unten stellten das Feuer erst ein, als der Stoßtrupp den oberen Treppenabsatz erreicht hatte. Diesen Beschuss konnte kein Attentäter der Welt überlebt haben! Während Reinhard über seinem Präsidenten kauerte, erreichten die Agenten die Position des Killers. Sein Gewehr lag noch hier, doch der chinesische Attentäter hatte sich offenbar in den Speiseaufzug gezwängt und war darin geflohen. Seine blutigen Fingerabdrücke klebten überall auf der kleinen Schiebetür zum Schacht.
„Der Kerl ist im Fre ss-Lift auf dem Weg in den Keller!“, meldeten die Agenten per Funk. Keppler lief um sein Leben, zahllose Splitter aus Blei und Glas steckten in seinem Körper, während er sich seinen Weg durch das Wäscherei- und Kantinenpersonal bahnte und aus dem Kellerfenster hinauskletterte. Vom Adrenalin aufgeputscht rannte er in Richtung des Waldstückes, hinter dem er einen gestohlenen Kleinwagen abgestellt und mit Ästen getarnt hatte. Ihm blieben noch gut sechzig Minuten, um zurück in den Kühlraum zu kommen. Dann wären die zwölf Stunden abgelaufen. Den Attentäter quälten keine Schuldgefühle, trotz seiner Wunden fühlte er sich lebendig wie lange nicht mehr. Doch ganz gewichen war der Druck noch immer nicht. Er hatte eine letzte Rechnung zu begleichen. Keppler gab Gas.
Wie bespro chen, schickte Doktor Hong zwölf Stunden nach dem Beginn der Mission seine Maschine in die Vergangenheit. Er wartete fünfzehn Minuten, doch offenbar hatte Keppler den manuellen Start noch immer nicht ausgelöst. Doktor Hong sah auf die Uhr. Die Zeit war abgelaufen, Keppler hatte es wohl nicht geschafft, in den Kühlraum zu kommen. Der Chinese holte die Maschine zurück in die Gegenwart. Vielleicht war Keppler bloß zu verletzt, um den Start noch manuell auslösen zu können. Doch als die Kapsel wieder bei Doktor Hong in der Gegenwart eintraf, war sie leer. Natürlich wusste der Wissenschaftler, was Keppler noch vorhatte. Er kannte ja die Vergangenheit.
Weitere Kostenlose Bücher