Mörderische Weihnacht
beinahe Zeit war, die Gerätschaften aufzuräumen und sich auf die Vesper vorzubereiten, ging er noch einmal hinaus, um zu sehen, wie sich sein Lehrling machte. Niemand läßt sich gern bei der Arbeit beobachten, und ganz besonders nicht, wenn er ungeübt und in bezug auf seine mangelnde Geschicklichkeit und Erfahrung vielleicht sogar etwas empfindlich ist. Cadfael war beeindruckt, als er das große Stück des Beetes sah, das der junge Mann schon umgegraben hatte.
Die Furchen waren gerade; er hatte ein gutes Auge. Und nach der satten schwarzen Färbung der umgewendeten Erde zu urteilen, stach er den Spaten tief ein. Zwar hatte er etwas Erde auf dem Weg neben dem Beet verstreut, doch er hatte sich schon einen Reisigbesen aus dem Schuppen besorgt und war gerade damit beschäftigt, die verstreute Erde dorthin zurückzufegen, wo sie hingehörte. Er blickte etwas unsicher zu Cadfael auf und sah rasch und etwas ängstlich zu dem Spaten, den er niedergelegt hatte.
»Ich habe die Eisenkante an einem Stein verbogen«, sagte er, indem er den Besen fallen ließ und die Klinge des Spatens hochhielt. Er fuhr mit dem Finger über den Metallrand, der das Holz schützte. »Ich werde ihn mit dem Hammer wieder glätten, bevor ich gehe. Drüben im Schuppen liegt ein Hammer, und Euer Wassertrog hat einen breiten Steinrand, den ich als Unterlage benutzen kann. Aber eigentlich wollte ich vor der Dämmerung noch zwei Reihen schaffen.«
»Mein Sohn«, sagte Cadfael freundlich, »Ihr habt schon viel mehr geschafft, als ich je erwartet hätte. Und was den Spaten angeht, so wurde die Eisenkante schon dreimal ersetzt, seit der Spaten gemacht wurde, und ich weiß wohl, daß bald eine vierte Reparatur nötig wird. Wenn Ihr glaubt, daß er noch hält, bis Ihr Eure Arbeit erledigt habt, dann schlagt ihn ruhig wieder gerade, aber dann legt ihn fort, wascht Euch und kommt mit zur Vesper.«
Benet blickte von der verbogenen Kante des Spatens auf, als ihm plötzlich bewußt wurde, daß er gelobt worden war. Er zeigte das breiteste und hemmungsloseste Grinsen, daß Cadfael je gesehen hatte, während das schattige, schwache Abendlicht in seinen funkelnden, wasserglänzenden Augen aufblitzte.
»Hab ich es gut gemacht?« fragte er in einer Mischung aus reiner Freunde und leichter Unverschämtheit. Die Anstrengung hatte sein Gesicht gerötet. Mit sorgloser Aufrichtigkeit fügte er hinzu: »Ich habe in meinem Leben kaum einmal einen Spaten in der Hand gehabt.«
»Nein«, sagte Cadfael mit unbewegtem Gesicht, während er neugierig die wohlgeformten, schlanken Hände betrachtete, die ein wenig zu weit aus den kurzen Ärmeln herausragten, »also, das hätte ich nie gedacht.«
»Ich habe hauptsächlich mit - « begann Benet etwas überstürzt.
»… mit Pferden gearbeitet. Ja, ich weiß! Nun, Ihr werdet morgen sicher genausoviel schaffen wie heute, und Ihr sollt morgen wiederkommen, weil ich mit Euch zufrieden bin.«
Als Cadfael zur Vesper ging, hatte er vor seinem inneren Auge immer noch das Bild seines munteren neuen Helfers, der eifrig davonschritt, um die verbeulte Eisenkante des Spatens geradezuschlagen, und in den Ohren hörte er noch die gepfiffene Melodie, gewiß kein Kirchenlied, zu deren Takt Benet seine großen jungen Füße in den abgestoßenen Schuhen und in den geborgten Holzpantinen bewegt hatte.
»Vater Ailnoth wurde heute morgen in sein neues Amt eingeführt«, sagte Cadfael, als er direkt nach der Einsetzung am zweiten Tag in den Garten kam. »Wolltet Ihr nicht dabei sein?«
»Ich?« Benet richtete sich mit echter Überraschung vom Umgraben auf. »Nein, warum sollte ich dabei sein? Ich habe hier meine Arbeit, und er kann die seine auch ohne meine Hilfe erledigen. Ich kannte ihn ja kaum, bevor wir hierher aufbrachen.
Ist denn alles gut verlaufen?«
»Ja, o ja, es ist alles in bester Ordnung. Seine Predigt war für die armen Sünder vielleicht ein wenig scharf«, sagte Cadfael grübelnd. »Zweifellos wollte er gleich am Anfang seine Entschlossenheit zeigen. Später kann man immer noch die Zügel locker lassen, wenn Priester und Gemeinde einander besser kennen und wissen, wo jeder steht. Es ist nicht leicht für einen jungen und fremden Mann, einem alten, vertrauten nachzufolgen.
Der alte Schuh sitzt bequem, der neue drückt.
Aber mit der Zeit wird auch das Neue vertraut und alt und paßt genausogut.«
Anscheinend hatte Benet sehr rasch die Fähigkeit entwickelt, bei seinem neuen Herrn zwischen den Zeilen zu lesen. Er
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