Mörderische Weihnacht
Könnt Ihr glauben«, sagte Aline, während sie ihren Sprößling mit einem nachsichtigen Lächeln betrachtete, »was er jetzt sagt, da Hugh fort ist? Allerdings hat er es von Hugh selbst gehört. Er sagt, daß er jetzt der Hausherr sei und fragt, wie lange sein Vater ausbleiben wird. Er ist viel zu stolz, um Hugh zu vermissen. Es gefällt seiner Lordschaft, den Platz des Vaters einzunehmen.«
»Allerdings würde er ein langes Gesicht ziehen, wenn Ihr ihm sagt, daß es länger als drei oder vier Tage dauern wird«, erwiderte Cadfael mit einem listigen Lächeln. »Sagt ihm, es dauert eine Woche, und er wird in Tränen ausbrechen. Aber drei Tage? Ich wage zu behaupten, daß sein Stolz so lange halten wird.«
Der Junge verschwendete in diesem Augenblick keinen Gedanken auf seine Stellung als Herr und Beschützer des Hauses, während der Vater abwesend war, denn er war vollauf damit beschäftigt, sein neues Pferd über die offene Ebene der Binsen galoppieren zu lassen, wo es ein heroisches Abenteuer mit einem eingebildeten Reiter bestand. Cadfael durfte gemütlich bei Aline sitzen, Fleisch essen und Wein trinken und über Hugh reden, über dessen Aufnahme in Canterbury und seine Zukunft, die jetzt unsicher war.
»Er hat Stephen treu gedient«, sagte Cadfael fest, »und Stephen ist kein Narr; er hat genug Männer gesehen, die ihre Mäntel wendeten und wieder wendeten, wenn sich der Wind drehte. Er wird einen zu schätzen wissen, der nie schwankte.«
Als er das Stundenglas sah, stand er auf, um sich zu verabschieden, und trat von der Halle ins helle, frostige Glitzern hinaus unter ein Sternendach, das nun dreimal weiter schien als zuvor bei seinem Eintreffen und vor Strahlen zu knistern schien. Der erste richtige Frost dieses Winters. Als er vorsichtig die Wyle hinunter und zum Stadttor hinaus schritt, dachte er an den harten Winter vor zwei Jahren, als der Knabe geboren worden war. Er hoffte, daß dieser Winter nicht die Schneegebirge und die grimmigen Winde bringen würde, die den Schnee auftürmten.* (* Die Jungfrau im Eis, Heyne-Buch 01/6629) Dieser Abend, der Abend von Christi Geburt, lag völlig still und schweigend über der Stadt, und kein Hauch rührte sich, um den beißenden Frost zu mildern. Selbst die Bewegungen der Menschen, die noch unterwegs waren, schienen gedämpft und beinahe verstohlen, als hätten sie Angst, den Zauber zu zerstören.
Die Brücke trug nach dem feinen Reigen einen silbernen Belag. Der Fluß strömte still und dunkel und zu schnell, um dem Frost einen Ansatzpunkt zu bieten. Einige Stimmen wünschten ihm eine gute Nacht, als er vorbeikam. Auf der ausgefahrenen Straße der Vorstadt begann er sich zu beeilen, weil er fürchtete, sich verspätet zu haben. Die Bäume, die schützend um die ebene Gaye standen, erhoben sich wie ein dunkler Winterpelz auf dem Land, und der flache, bleich glänzende Mühlteich öffnete sich zu seiner Rechten. Dahinter standen die sechs kleinen Armenhäuser der Abtei, drei auf jeder Seite des Teichs, mit der Hauptstraße durch kleine Pfade verbunden. Silber und Dunkel blieben hinter ihm zurück, und vor sich sah er den goldenen Fackelglanz des Torhauses.
Etwa zwanzig Schritte vor dem Tor bemerkte er eine große schwarze Gestalt, die mit langen, schnellen und entschlossenen Schritten auf ihn zukam. Die Fackel an der Mauer flammte im Luftzug einen Moment hell auf, als der Mann vorbeischritt, und wurde wieder dunkel, als die Gestalt ohne Gruß oder Blick an Cadfael vorbeiging, den langen Stock knirschend in die gefrorenen Wagenspuren setzend, die weiten schwarzen Gewänder fliegend, Kopf und Schultern begierig vorgebeugt, das lange, bleiche Gesicht gebannt und grimmig.
Als im nächstgelegenen Haus am Teich die Haustür geöffnet wurde, fiel ein verirrter Lichtstrahl in sein Gesicht und entzündete zwei feurige Funken in den dunklen Augenhöhlen.
Cadfael rief einen Gruß, der nicht beachtet und nicht gehört wurde. Vater Ailnoth eilte heran, wich ihm in der stillen Nacht etwas aus und verschwand im Dunkeln. Wie der Racheengel, dachte Cadfael später, wie ein scharfäugiger Rabe, der durch die Vorstadt fliegt und alle läßlichen Sünden entdeckt, um die Sünder der Verdammung zu überantworten.
In der Kirche von St. Chad beugte Ralph Giffard zufrieden das Knie und gab sich dem Gefühl hin, eine Pflicht getan und einen Zaun dauerhaft geflickt zu haben. Durch die Treue zu seinem Oberherrn FitzAlan und dessen Herrscherin, der Kaiserin Maud, hatte er ein Landgut
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