Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mörderische Weihnacht

Mörderische Weihnacht

Titel: Mörderische Weihnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
Vom Netzwerk:
meinen Geschmack etwas voreilig ist. Er sagte mir, daß er jetzt nur noch um jeden Preis die Kaiserin erreichen und ihr seinen Dienst anbieten will. Er hat das Recht, sich zu wenden, wohin er will, und ich wünsche ihm, daß er wohlbehalten dort eintreffen und lange leben möge. So ein verrückter Kerl verdient es, etwas Glück zu haben.«
    »Ich weiß«, sagte sie errötend und lächelnd. »Er ist nicht gerade diskret…«
     
    »Diskret? Ich bezweifle, daß er überhaupt das Wort kennt!
    Einen solchen Brief zu schreiben und abzuschicken, offen wie der helle Tag, unterzeichnet mit seinem eigenen Namen und mit allen Angaben, wo und unter welcher Tarnung er gefunden werden kann! Nein, sagt mir ja nicht, wo er jetzt ist, aber behaltet ihn gut im Auge, wo immer Ihr ihn versteckt habt, denn man kann nie wissen, welche atemberaubende Tollheit er als nächstes ausheckt.« Er hatte eine kleine Flasche abgefüllt, um ihr einen glaubwürdigen Grund für den Besuch in seinem Herbarium zu verschaffen. Er versiegelte sie mit einem Holzstopfen und band ein Stück Pergament darüber, ehe er sie in ein Stück Leinen wickelte und sie ihr gab. »Bitte, meine Dame, der Grund Eures Besuches. Und mein Rat ist, ihn so bald wie möglich fortzuschaffen.«
    »Aber er will nicht gehen«, sagte sie seufzend, doch eher voller Stolz als verzweifelt, »solange die Angelegenheit nicht geklärt ist. Er will keinen Schritt tun, ehe er nicht weiß, daß Diota sicher ist. Und man muß Vorbereitungen treffen, er braucht Dinge für die Reise…« Sie nahm sich zusammen und hielt inne, schüttelte den braunen Kopf und ging entschlossen zur Tür.
    »Das Wichtigste«, sagte Cadfael nachdenklich, »wäre für ihn ein gutes Pferd.«
    Sie wandte sich in der Tür abrupt um und schenkte ihm ein strahlendes Lächeln, da sie anscheinend alle Vorbehalte abgeschüttelt hatte.
    »Zwei Pferde!« sagte sie, leise und triumphierend flüsternd.
    »Auch ich bin auf der Seite der Kaiserin. Ich werde mit ihm gehen!«
     
    9
     
    Cadfael war den ganzen Tag über unruhig. Einerseits plagten ihn ungute Gefühle wegen Sanans Enthüllung, und andererseits stichelte ihn im Hinterkopf eine kleine Stimme, indem sie ihm immer wieder sagte, er könnte durchaus noch etwas anderes übersehen haben, da er bei Ailnoth die fehlende Mütze übersehen hatte. Es gab gewiß noch etwas, an das er hätte denken müssen; etwas, das Licht auf die Angelegenheit werfen konnte, wenn er nur entdeckte, was es war und sich sofort, wenn auch mit einiger Verspätung, auf die Suche danach begab.
    Unterdessen folgte er dem üblichen Tagesablauf seiner Pflichten, nahm an Vesper und Abendmahl im Refektorium teil, und versuchte vergeblich, sich auf die Psalmen für diesen dreißigsten Dezember zu konzentrieren, den sechsten Tag nach Weihnachten.
    Cynric hatte, was das Tauwetter anging, recht behalten. Es kam verstohlen und knirschend, aber am Spätnachmittag war es eindeutig da. Die Bäume streiften ihren klingelnden Schmuck aus überfrorenem Rauhreif ab, bis sie nackt und schwarz vor dem niedrigen Himmel standen. Tropfen durchbohrten die Schneewehen unter den Dachtraufen mit kleinen, dunklen Pockennarben, und das Schwarz der Straße und das Grün des Grases begannen, durch die Schneedecke zu schimmern. Morgen könnte es sogar schon möglich sein, den Boden an der geschützten Stelle unter der Abteimauer aufzubrechen, um Vater Ailnoths Grab auszuheben.
    Cadfael hatte die Mütze genau untersucht, doch er konnte nicht viel damit anfangen. Dennoch machte er sich Vorwürfe, weil er nicht daran gedacht hatte, als die Leiche gefunden wurde. Die Beschädigungen legten eine Verbindung mit dem Schlag auf den Kopf nahe und sprachen zugleich doch gegen eine solche Verbindung, denn die Mütze war, als der Schlag Ailnoths Kopf traf, sicher auf den Boden gefallen. Zwar mochte der Mörder sie wie den Priester selbst ins Wasser geworfen haben; aber hätte er sie in der Dunkelheit überhaupt bemerkt oder an sie gedacht? Und wenn, hätte er sie dann finden können? Ein kleines schwarzes Ding zwischen hohen, noch nicht von weißem Reif überdeckten Grasbüscheln - nein, sie war dort kaum zu entdecken, und nach der Tat hatte der Mörder sich wohl kaum an sie erinnert und daran gedacht, daß diese Spur beseitigt werden mußte. Wer tastete schon blind in scharfkantigem Gras herum, nachdem er gerade einen Mann getötet hatte? Sein einziger Gedanke mußte es gewesen sein, den Ort des Verbrechens so schnell wie möglich zu

Weitere Kostenlose Bücher