Mörderische Weihnacht
ein.«
»Und Ihr habt Ailnoth kommen sehen?« fragte Cadfael.
»Er stürmte den Weg herunter wie ein Blitz Gottes. So dunkel es auch war, er war nicht zu verkennen, allein schon sein Gang verriet ihn. Es gab keinen Grund für ihn, zu dieser Stunde hier zu sein, es sei denn, er hatte erfahren, was ich beabsichtigte, und wollte es mir verderben. Er schritt hin und her, um die Mühle und zum Ufer hinunter und trampelte überall herum, und wäre er eine Katze gewesen, hätte sein Schwanz gezuckt. Ich dachte, ich hätte einen weiteren Mann mit mir ins Unglück gezogen, und ich müßte wenigstens versuchen, ihn herauszubekommen, auch wenn ich selbst noch im Schlamm saß.«
»Was habt Ihr dann getan?«
»Es war noch früh. Ich konnte doch Giffard nicht ahnungslos auf ihn treffen lassen! Ich wußte nicht, ob er überhaupt kommen wollte, aber es war ja möglich. Ich konnte das Risiko nicht eingehen. Ich eilte über den großen Hof und zum Haupttor hinaus, um mich in den Büschen am Ende der Brücke zu verstecken. Wenn er überhaupt kam, dann mußte er auf diesem Weg aus der Stadt kommen. Dabei wußte ich nicht einmal, wie der Mann aussah; allerdings war zu erwarten, daß um diese Zeit nicht viele Männer aus der Stadt kommen würden. Ich konnte es wagen, jeden anzureden, der ihm nach Alter und Aussehen entsprechen mochte.«
»Ralph Giffard war schon gut eine Stunde vorher über die Brücke gekommen«, erklärte Cadfael, »um den Priester aufzusuchen und ihn stehenden Fußes zum Treffen in die Mühle zu schicken. Aber das konntet Ihr nicht wissen. Ich glaube, er war schon lange wieder daheim, als Ihr noch in den Büschen auf ihn gewartet habt. Sind noch andere vorbeigekommen?«
»Nur einer, aber der war zu jung, zu arm und zu schlicht gekleidet und gerüstet, um Giffard sein zu können. Er ging direkt zur Vorstadt hinauf und bog an der Kirche ab.«
Centwin vielleicht, dachte Cadfael, der seine Schuld bezahlt hatte und, innerlich befreit und friedlich, da er niemand mehr etwas schuldig war, zur Weihnachtsfeier in die Kirche ging. Wie gut für ihn, daß Ninian seine Aussage bekräftigen und beweisen konnte, daß er keine Schuld am Mord trug.
»Und Ihr?«
»Ich habe gewartet, bis ich sicher war, daß er nicht mehr kommen würde, da die Zeit lange vergangen war. Ich beeilte mich, um rechtzeitig zur Mitternachtsmesse zu kommen.«
»Und dort habt Ihr Sanan getroffen.« Cadfaels Lächeln war im Dunkeln nicht zu sehen, doch man hörte es am Klang seiner Worte. »Sie war nicht so dumm, zur Mühle zu gehen, denn wie Ihr konnte sie nicht sicher sein, ob ihr Stiefvater die Verabredung einhalten würde. Aber sie wußte, wo sie Euch finden konnte, und sie war fest entschlossen, der Verantwortung gerecht zu werden, der Giffard sich entzogen hatte. Soweit ich mich erinnere, hatte sie sich bereits bemüht, Euch aus der Nähe zu betrachten, wie Ihr selbst mir berichtet habt. Vielleicht seid Ihr doch der richtige Page für eine Dame.
Ihr müßtet nur etwas aufpoliert werden!«
Durch die Falten der Kapuze hörte er Ninians gedämpftes Lachen. »An jenem ersten Tag hätte ich nie geglaubt, daß etwas daraus werden würde. Aber wißt Ihr - ich bin ihr etwas schuldig. Sie ließ sich nicht abschrecken… Ihr habt sie ja gesehen, Ihr habt mit ihr gesprochen, und Ihr wißt, wie prächtig sie ist… Cadfael, ich muß Euch etwas verraten… sie kommt mit mir nach Gloucester, denn sie hat mir ihre Hand versprochen.«
Seine Stimme klang jetzt leise und feierlich, als wäre er schon zum Altar unterwegs. Es war das erstemal, daß Cadfael bei ihm Anzeichen von Ehrfurcht bemerkte.
»Sie ist eine sehr tapfere Dame«, sagte Cadfael bedächtig,
»und sie weiß genau, was sie will. Ich für meinen Teil würde kein Wort gegen ihre Entscheidung sagen. Aber, Bursche, ist es denn richtig, sie so etwas für Euch tun zu lassen?
Schließlich gibt sie Eigentum, Familie und alles andere auf.
Habt Ihr das bedacht?«
»Das habe ich, und auch ich drängte sie, es sich noch einmal zu überlegen. Cadfael, wie gut kennt Ihr ihre Situation? Sie hat kein Land, das sie aufgeben könnte. Nach der Belagerung hier wurde ihrem Vater das Land weggenommen, weil er zu FitzAlan und der Kaiserin hielt. Ihre Mutter ist tot. Ihr Stiefvater - nun, sie beklagt sich nicht über ihn, er hat immer für sie gesorgt, wie es sich geziemt, aber nicht sehr froh. Er hat aus erster Ehe einen Sohn, dem er seinen Besitz vererben wird, und er wird sein Hab und Gut lieber ungeteilt
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