Mörderische Weihnacht
sich
entgegenkommend in die entsprechende Richtung, um ihn zu ermutigen. Und dann fiel ein Körper hinter ihm herab, ein Arm umklammerte seinen Hals und zog ihn gegen den Angreifer zurück, während der zweite Arm seine Brust und seine Arme packte und ihn festhielt. Er blieb in der doppelten Umklammerung entspannt stehen und atmete mühelos weiter.
»Nicht schlecht«, erklärte er mit mildem Lob. »Aber Ihr habt keine Nase, Junge. Was sind vier Sinne ohne den fünften?«
»Nicht?« keuchte ihm Ninian ins Ohr, geschüttelt von unterdrücktem Lachen. »Ihr seid wie ein Windhauch durch die Tür gekommen. Ich mußte Euer Öl im Stich lassen; hoffentlich hat es ihm nicht geschadet.« Nun wurde Cadfael von kräftigen, jungen Armen umfangen, sanft wieder losgelassen und auf Armeslänge fortgeschoben, als sollte er begutachtet werden, obwohl kaum mehr als ein düsterer Umriß oder ein Schatten zu erkennen war. »Ich war Euch den Schreck schuldig. Ihr habt mich in Todesangst versetzt, als Ihr die Tür aufgeschoben habt«, sagte Ninian vorwurfsvoll.
»Ich habe mich auch nicht sehr wohlgefühlt«, erklärte Cadfael, »als ich sah, daß der Riegel nicht vorgelegt war.
Bursche, Ihr geht zu große Risiken ein. Um Himmels willen, was tut Ihr hier?«
»Das könnte ich Euch auch fragen«, erwiderte Ninian, »und wahrscheinlich würden unsere Antworten ganz ähnlich klingen.
Ich habe mich hier hereingewagt, um zu sehen, ob es, obwohl schon viele Tage vergangen sind, vielleicht doch noch etwas zu finden gibt. Wie können wir ruhig schlafen, ehe wir es wissen?
Ich weiß, daß ich nie eine Hand gegen den Mann erhob, aber was nützt mir das, wenn mir jeder die Schuld gibt? Ich will nicht hier fortgehen, solange nicht erwiesen ist, daß ich kein Mörder bin. Aber es gibt noch einen wichtigen Grund zu bleiben. Diota!
Da man mich schnappen will, wird es nicht mehr lange dauern, bis man zuerst einmal sie ergreift, und wenn nicht wegen des Mordes, dann wegen Verrats, weil sie mir half, der Suche im Süden zu entfliehen, und mich hier deckte.«
»Wenn Ihr glaubt, daß Hugh Beringar böse Absichten gegen Frau Hammet hegte oder zuließe, daß ein anderer sie zum Opfer macht«, erwiderte Cadfael fest, »dann könnt Ihr diesen Glauben sofort aufgeben. Nun, da wir schon einmal beide hier sind und dieser Ort so gut ist wie jeder andere, wollen wir uns in die wärmste Ecke setzen, die wir finden können, und zusammenfügen, was wir uns zu sagen haben. Zwei Köpfe machen vielleicht mehr daraus, als es meiner allein bisher vermocht hat. Hier müssen irgendwo Säcke gestapelt sein -
besser als nichts…«
Offenbar war Ninian schon lange genug hier, um sich gut auszukennen, denn er nahm Cadfael am Arm und zog ihn mit sicheren Schritten in eine Ecke, wo saubere, rauhe Säcke zusammengefaltet an der Wand gestapelt waren. Sie ließen sich dicht beieinander nieder, Seite an Seite, um die Wärme zu halten, und Ninian legte ihnen beiden einen dicken Mantel über die Schulter, der sicher noch nicht lange zu seinem Besitz zählte.
»So«, sagte Cadfael energisch. »Ich sollte Euch wohl zuerst erzählen, daß ich heute morgen mit Sanan gesprochen habe und weiß, was Ihr zwei plant. Wahrscheinlich hat sie es Euch schon berichtet. Sie weiß nicht recht, wie weit sie mir trauen kann, aber wenn ich Euch dabei helfen soll, diese lästige Angelegenheit zu bereinigen, dann weiht Ihr mich besser völlig ein. Ich glaube nicht, daß Ihr die Schuld am Tod des Priesters tragt, und ich habe nicht den geringsten Grund, Euch im Wege zu stehen. Allerdings glaube ich, daß Ihr mehr von den Ereignissen in jener Nacht wißt, als Ihr bisher erzählt habt. Nun sagt mir auch den Rest und laßt mich wissen, wo wir stehen. Ihr wart an jenem Abend hier in der Mühle, nicht wahr?«
Ninian schnaufte heftig und empört, und der Lufthauch wärmte einen Moment lang Cadfaels geneigte Wange. »Ja. Ich mußte kommen. Giffard ließ mir nur ausrichten, daß er meine Botschaft empfangen und verstanden habe. Ich konnte nicht wissen, ob er kommen würde oder nicht. Aber ich war schon früh da, um den Ort in Augenschein zu nehmen und mir ein Versteck zu suchen, weil ich nicht wußte, was mir bevorstand.
Ich öffnete die Pforte in der Abteimauer und wartete im Türbogen, so daß ich sehen konnte, wer kam. Ich mußte ziemlich schnell um die Ecke der Krankenstation verschwinden, als der Müller eilig den Weg heraufkam, um zur Kirche zu gehen. Danach nahm ich meinen Wachtposten wieder
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