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Mörderische Weihnacht

Mörderische Weihnacht

Titel: Mörderische Weihnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
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Ungewisse Hoffnung«, erklärte Ninian traurig, »aber ich riskierte es zu kommen, bevor das Licht ganz geschwunden war. Doch ich wenigstens wußte, wonach ich suchte. Ich war bei Frau Diota, als Ihr Ailnoth am Weihnachtstag ins Kloster getragen habt, und mir fiel erst viel später ein, was da fehlte. Schließlich ist es ein Ding, das ohne weiteres verloren werden kann, ganz anders als die Kleider, die er trug. Aber ich wußte, daß er es bei sich hatte, als er über den Pfad stampfte und im Boden stocherte. Da ich den ganzen Weg von England herauf in seiner Gesellschaft war, habe ich ihn gut kennengelernt. Den großen Stab, mit dem er so freizügig Schläge austeilte - aus Ebenholz, er ging ihm bis zum Ellbogen und hatte einen Griff aus Hirschhorn - , den wollte ich hier suchen. Und er muß hier irgendwo noch sein.«
    Sie standen inzwischen am flachen Teil des Ufers. Feuchte dunkle Grasflecken, die den schmelzenden Schnee durchbrachen, sprenkelten die Wiese wie mit Sommersprossen.
    Die trübe, bleiche Wasserfläche erstreckte sich bis zum dunklen Hang des gegenüberliegenden Ufers. Cadfael war abrupt stehengeblieben und starrte verblüfft über die helle Fläche.
    »Das muß er!« sagte er dankbar. »Das muß er! Junge, das ist das Phantom, dem ich den ganzen Tag nachgejagt bin. Geht zu Eurem Versteck zurück und haltet den Kopf unten. Überlaßt die Suche nur mir. Ihr habt mein Rätsel für mich gelöst.«
     
    Am Morgen war der Schnee zur Hälfte geschmolzen und verschwunden, und die Straßen der Vorstadt lagen wie blattlose Zweige in der Winterlandschaft. Das Pflaster im großen Hof glänzte feucht und dunkel, und auf dem Friedhof östlich der Kirche hatte Cynric schon für Vater Ailnoths Grab die Erde aufgebrochen.
    Cadfael verließ die letzte Kapitelversammlung des Jahres mit dem starken Gefühl, daß außer dem Jahr noch einige andere Dinge zu Ende gingen. Kein Wort war über die Nachfolge des Priesters vom Heiligen Kreuz gesprochen worden, und kein Wort würde gesagt werden, bis Vater Ailnoth ordentlich bestattet war, der richtigen Form genügend und mit der Trauer, zu welcher Bruderschaft und Gemeinde sich durchringen mochten. Am nächsten Tag, zur Geburt des neuen Jahres, würde die Beerdigung einer kurzen Tyrannei stattfinden, die glücklicherweise bald vergessen sein würde. Gott sende uns, dachte Cadfael, eine demütige Seele, die sich selbst für ebenso fehlbar wie ihre Herde hält und bescheiden daran arbeitet, beide vor dem Sturz zu bewahren. Wenn zwei sich gegenseitig festhalten, dann vermögen beide sicher zu stehen, aber wenn einer sich zu hoch reckt, kann der andere an unsicheren Stellen ausgleiten. Besser eine holprige Stütze als ein massiver Fels, der ewig außer Reichweite der ausgestreckten Hand bleibt.
    Cadfael ging zur Pforte in der Mauer, öffnete sie und wanderte zum Ufer des Mühlteiches hinunter. Er stand am Rand des überhängenden Ufers zwischen den gestutzten Weiden, wo sie Ailnoths Leiche gefunden hatten. Rechts verbreiterte sich der Teich, während er zugleich flacher wurde.
    Dort, unter der Straße, stand Schilf. Links war der Teich schmaler und lief allmählich zum tieferen Strom aus, der das Wasser zum Bach und damit zum Severn zurückbeförderte. Die Leiche war vermutlich ein paar Meter weiter rechts ins Wasser gefallen und vom Strom des Mühlkanals unter die Uferböschung gedrückt worden. Die Mütze war im Schilf aufgetaucht, in das man vom Pfad auf der anderen Seite vordringen konnte. Ein kleines leichtes Ding wie die Mütze folgte der Strömung, bis es von Schilf, von Zweigen oder Gegenständen im Wasser aufgehalten wurde. Aber wo konnte der Ebenholzstab gelandet sein, den er bei sich trug? War er ihm aus der Hand gefallen, als er vom Schlag getroffen wurde, und hatte der Mörder den Stab hinter dem Besitzer ins Wasser geworfen? Er war entweder in die gleiche Richtung getrieben wie die Leiche und steckte jetzt irgendwo weit unten im schmaleren Teil des Teiches, oder er war jenseits des Hauptschubes des Mühlkanals ins Wasser gefallen und wie die Mütze ans gegenüberliegende Ufer gedrückt worden. Es konnte nicht schaden, im flachen Teil des Teichs danach zu suchen.
    Er überquerte die Fußbrücke über den Mühlkanal, umrundete die Mühle und ging zum Wasser hinunter. Hier gab es keinen Weg mehr, denn die Gärten der drei kleinen Häuser erstreckten sich fast bis zum Ufer hinunter, sondern nur einen schmalen Streifen freien Grases, auf dem man sich gerade eben

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