Mörderische Weihnachten
nicht viel, aber wenigstens etwas.«
»Vielleicht schieße ich auch voll daneben.«
»Das heißt, Sie wollen noch nicht darüber reden.«
»Nein, Sir. Lassen Sie mich die Sache durchdenken. Morgen früh werde ich mehr wissen.«
Er schaute mich lange an. »Okay, John Sinclair, wir kennen uns. Ich vertraue Ihnen. Wollen Sie jetzt allein sein?«
»Das wäre besser.«
»Ich entschuldige Sie beide dann bei den anderen Trauergästen. Viel Glück.«
»Danke.«
Sir James ging. Er wurde von den anderen Trauergästen bereits vermißt. Sukos Neugierde war geweckt worden. »Was ist denn los, John?« erkundigte er sich besorgt.
»Eigentlich nichts.«
»Lüg nicht.«
Mit der Fußspitze schabte ich Laub zur Seite. »Ich bin mir selbst noch nicht im klaren. Etwas braut sich in meinem Gehirn zusammen. Ein Plan, eine Vermutung. Wobei keines von beiden spruchreif ist.«
»Kann ich dir trotzdem helfen?«
»Ich sage dir schon Bescheid.«
»Hoffentlich«, meinte der Inspektor besorgt.
Ich holte den Wagenschlüssel hervor, hob die Schultern und schleuderte den Schlüssel in die Luft. Gedankenschnell fing ich ihn wieder auf. Meine Faust umschloß ihn hart. So wollte ich auch den Mörder kriegen. »Laß uns fahren.«
Wir stiegen in den Rover und starteten. Auf der Fahrt waren wir beide sehr schweigsam. Suko machte sich Gedanken. »Wenn du dich da nur nicht mal in eine Idee verrennst«, murmelte er.
»Noch ist es eine Idee.«
»Wo willst du die Beweise suchen?«
»Das weiß ich noch nicht.«
Ich stellte den Wagen in der Tiefgarage ab. Dann fuhren wir hoch und verschwanden in unseren Wohnungen. War es richtig, wie ich mich verhalten hatte? Eine Antwort wußte ich nicht auf die Frage. Irgendwie fühlte ich mich in der Wohnung eingeschlossen. Also fuhr ich wieder in die Halle.
Mittlerweile war es dämmerig geworden. Lichter hüllten die Stadt ein. Und nicht nur Weihnachtsbäume, die an das Fest erinnern sollten. Auch die Reklameleuchten. Bunt, grell und kalt.
Ich war ein paar Häuserblocks gegangen und in Soho gelandet. An der Grenze zu diesem Stadtteil wohnte ich ja. Die Kneipe, die ich sah, war eine Mischung aus Pub und Bar.
Ich tauchte hinein in einen Nebel aus Rauch. Halbrund war die Theke. An ihr drängelten sich Männer und Frauen. Zumeist Menschen, die nach Feierabend noch schnell ein Bierchen oder einen Drink zischen wollten. Ich fand noch Platz und bestellte ebenfalls ein Bier. Gezahlt werden mußte sofort. Das war mir auch lieb so. Mit dem Glas in der Hand wanderte ich auf einen schmalen Tisch zu. Praktisch ein Brett, vor dem zwei Sitzgelegenheiten standen. In dieser Ecke war es ruhiger, und die beiden Dartspieler hinter mir störten mich mit ihren Wurfpfeilen auch nicht.
War es richtig, was ich vorhatte?
Ich überlegte hin und her, wog das Für und Wider ab, spielte auch andere Möglichkeiten durch, blieb aber immer an dereinen hängen. Ja, ich mußte in den sauren Apfel beißen, außerdem gab es keine andere Lösung, die logisch genug gewesen wäre, obwohl mit dem Wort Logik im Zusammenhang mit der Hölle man vorsichtig sein mußte. Eine Frau setzte sich zu mir. Sie war schon älter, ziemlich rund und stark geschminkt. In einer Hand hielt sie einen Whisky, in der anderen eine Zigarette.
»Ist es gestattet?« fragte sie, als sie schon saß.
»Ja, bitte. Ich wollte sowieso gehen.«
»Aber doch nicht wegen mir.«
Ich trank mein Glas leer. »Nein, Madam, nicht Ihretwegen. Manchmal gibt es Dinge, die sich leider nicht aufschieben lassen. Man nennt so etwas auch Termine.« Ich stand auf. »Viel Spaß wünsche ich Ihnen noch, Madam.«
»Danke, danke!« rief sie mir erstaunt nach und schaute noch zu, wie ich mir den Mantelkragen hochstellte. Ich hatte mich nach der Beerdigung zu Hause noch kurz umgezogen.
In den steifen, dunklen Anzügen fühlte ich mich einfach nicht wohl. Nach einem Bier konnte ich noch fahren. Dennoch suchte ich mir ein Taxi.
Diese Sache war zwar dienstlich, aber auch auf eine gewisse Art und Weise privat.
Und sehr tief in meinem Innern hoffte ich stark, mich in allem geirrt zu haben…
***
Am Abend wirkte die Umgebung, in die ich mich hatte bringen lassen, noch düsterer und trister als tagsüber. Zwar gab es Licht, aber es reichte nicht aus, um den gesamten Gehsteig zu erhellen. Die Häuser wirkten wie Schatten, die man nebeneinander geklebt hatte. Nur wenige Menschen begegneten mir. Einige Jugendliche standen um eine Laterne herum und versperrten einen Teil des Gehsteigs. Als sie mich
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