Mörderische Weihnachten
gehört. Sie waren ja aktiv.«
»Wie Sie damals.«
Er lächelte etwas verzerrt. »Was meinen Sie damit?«
Harrison war ein hochgewachsener Mann mit einem leichten Bauchansatz. Auch sein Gesicht wirkte irgendwie speckig. Vielleicht hatte er durch die viele Büroarbeit so zugenommen. »Ich denke da an die Verhaftung des Weihnachtsmörders, die Sie damals zusammen mit Robert Blake durchgeführt haben.«
»Ja, natürlich.«
»Wie war das genau?«
»Haben Sie das nicht in den alten Protokollen nachgelesen, Mr. Sinclair?«
»Das schon, aber ich möchte es noch einmal von Ihnen wissen, dem Augenzeugen.«
Suko zog schon ein gelangweiltes Gesicht, als Harrison die Geschichte erzählte. Sie unterschied sich nicht von der, die uns bereits bekannt war.
»Es war damals eine scheußliche Sache«, faßte er zusammen. »Und das am Heiligen Abend.« Er schüttelte sich. »Ich hätte ja nie gedacht, daß es Adamic gelingen würde, auszubrechen. Er hat es gebracht und Robert getötet.«
»Sowie seine Frau«, fügte Suko hinzu.
»Ja, wobei sie nichts damit zu tun hatte.«
Er schaute uns etwas ängstlich an. »Wäre er noch am Leben, hätte ich jetzt auch Furcht, daß kann ich Ihnen versprechen.«
»Verständlich«, sagte ich.
»Als ich meiner Frau davon erzählte, bekam ich sie nicht mehr mit nach London. Sie ist in Manchester geblieben. Ich kann ihr keinen Vorwurf machen.«
Das dünne Bimmeln der Totenglocke, die sich im spitzen Turm der Leichenhalle bewegte, erinnerte uns daran, daß es Zeit wurde, die Halle zu betreten.
Wir befanden uns auf dem großen Brompton Cemetery am Rand der Stadtteile West Kensington und Chelsea. Es war ein Friedhof mit Tradition, eingebettet in ein parkähnliches Gelände, bepflanzt und bewachsen mit hohen Laubbäumen.
Was beim Yard Rang und Namen halte, war auf dem Friedhof versammelt. Schweigend betraten die Menschen die Leichenhalle. Cecil Harrison hatte sich von uns getrennt, er wollte in einer der ersten Reihen sitzen, um dem Kollegen die letzte Ehre zu erweisen. Graue Wolken wanderten über den Himmel wie hungrige Ungeheuer, aber es regnete nicht.
Ich sah Sir James zusammen mit einem anderen hohen Beamten. Der Superintendent nickte uns kurz zu.
Suko und ich befanden sich unter den letzten Trauergästen, die in die Halle gingen.
Wir schoben uns an den Wartebänken vorbei und mußten uns nach links wenden, wo eine zweiflügelige Tür offenstand. Durch sie konnten wir die Leichenhalle betreten.
Die beiden dunklen Eichensärge standen etwas erhöht auf einem kleinen Podest. Ein Meer von Blumen und Kränzen schmückte die unmittelbare Umgebung. Die Kränze und Sträuße standen oder lagen quer. Sie reichten bis zu den aufgestellten Buchsbäumen an den schmucklosen Wänden.
Die Sitzplätze für die Trauergäste waren sehr schnell belegt, so daß Suko und ich stehen mußten. Seitlich bauten wir uns auf, nicht einmal weit von den beiden Särgen entfernt, in denen die Blakcs lagen. Hier und da hüstelte jemand. Die Gesichter der Menschen waren ernst, die der Kollegen sogar verbissen.
Wenn jemand aus unseren Reihen auf eine so schreckliche Art und Weise starb, fühlte sich jeder irgendwie angegriffen. Da hielt man eben zusammen und bildete eine Gemeinschaft.
Cecil Harrison hatte sogar noch in der ersten Reihe einen Platz gefunden. Er sprach mit einer grauhaarigen Frau, wahrscheinlich war sie eine Verwandte der Verstorbenen.
Allmählich wurde es still.
Bedrückend kam sie mir vor. Ich war einiges gewohnt und bekam trotzdem eine Gänsehaut.
Jemand schloß hinter uns die Tür. Sie quietschte ein wenig in den Angeln. Ich fand das Geräusch störend.
Mein Blick fiel auf die Särge. Darin lagen zwei Menschen, die noch hätten leben können, wäre die Hand eines Mörders nicht schneller gewesen. Auch der Mörder lebte nicht mehr, aber eine Gerechtigkeit sah ich darin trotzdem nicht.
Der traurige Klang einer Orgel riß mich aus meinen Gedanken. Wenig später öffnete sich eine Seitentür. Ein Priester erschien. Er blieb vor den beiden Särgen stehen, verneigte sich, drehte sich dann um und schaute auf die Trauergäste.
Es war nur ein kurzer Blick. Dann setzte er sich in Bewegung und schritt zu einem Stehpult, auf dem auch ein Mikrofon stand. Die Menschen erhoben sich, und wir beteten gemeinsam.
Es sind fast immer die gleichen Worte, die bei einem christlichen Begräbnis gesprochen werden. Ich hatte schon oft genug darüber nachgedacht und auch daran, wann sie wohl für mich gesprochen
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