Mörderische Weihnachten
mir bei seiner Antwort den Rücken zu. »Ich fühlte mich einfach nicht wohl.«
»Ihnen war schlecht.«
»Ja.«
»Haben Sie einen Zeugen?«
Martin legte den Kopf in den Nacken, drehte sich aber nicht um. Dafür wippte er vor und zurück. »Wenn man krank ist, wird man wohl kaum einen Zeugen haben, oder?«
»Das ist verschieden.«
»Ich habe jedenfalls keinen gehabt.«
»Gut, lassen wir das.«
»Sonst noch etwas?« Seine Stimme hatte wieder an Sicherheit dazugewonnen, er drehte sich auch um.
Ich saß noch immer und schaute ihm ins Gesicht. »Ja, da wäre noch etwas. Ich habe Sie am Nachmittag gesehen, Martin. Verstehen Sie?«
»Nein!« Er log und wurde auch blasser.
»Wollen Sie wissen, wo ich Sie gesehen habe, Martin?«
»Das können Sie nicht, das können Sie nicht. Ich war ja hier. Ich habe gelegen…«
Ich schüttelte so lange den Kopf, bis er so nervös wurde und nicht mehr weitersprach. »Sie waren nicht hier, Martin. Wenigstens nicht die ganze Zeit über. Sie konnten nicht hier in der Wohnung sein, weil Sie zum Brompton Cemetery gefahren sind. Aber das wissen Sie doch selbst.«
Er legte seine Hände auf die Sessellehne. Die Finger bewegten sich, als wollten sie nach etwas greifen. »Was hätte ich denn auf dem Friedhof getan haben sollen?« fragte er mit hektisch klingender Stimme.
»Einen Mord begehen.«
Er lachte. »Das hat doch mein Vater getan.«
»Auch. Aber Sie, Martin, haben in gewisser Hinsicht sein Erbe übernommen.«
Er grinste mich frech an. »Weshalb sollte ich so etwas wohl getan haben?«
»Das kann ich Ihnen nicht sagen. Ich glaube aber, daß Sie es getan haben. Sie nahmen ein Messer, schlichen sich in die Leichenhalle und warfen die Klinge zielsicher. Dann flüchteten Sie und haben sich wahrscheinlich in dieser Wohnung hier versteckt. Stimmt es?«
Martin Adamic gab keine Antwort. Mit zwei gespreizten Fingern fuhr er über sein Gesicht, als wollte er dort die dünn wirkende Flauteindrücken.
»Sagen Sie nichts dazu? Kein Wort der Verteidigung?«
»Nein!«
»Dann geben Sie es zu?«
»Nichts gebe ich zu, gar nichts.« Er lief hastig durch den Raum und blieb mit dem Rücken gegen einen Schrank gelehnt stehen, als hätte er hinter den Türen etwas zu verbergen.
»Dann werde ich es Ihnen beweisen, Martin.«
»Wie denn?«
»Zunächst mit Worten. Denken Sie mal zehn Jahre zurück. An den Heiligen Abend, wo sich das schreckliche Drama unter dem Tannenbaum abspielte. Da erwürgte Ihr Vater Ihre Mutter und nahm Sie, Martin, anschließend mit. Sie kamen beide zurück, die Polizei wartete bereits, Ihr Vater wurde überwältigt, und Sie wurden zu Pflegeeltern gegeben. Dort wuchsen Sie auf. Kontakt mit Ihrem Vater hatten Sie nicht. Sie haben ihn nicht einmal während seiner Zeit im Zuchthaus besucht. Aber trotzdem hingen Sie noch zusammen. Es gibt oder gab da ein Band, das Sie festgeschweißt hatte.«
»Unsinn, Sinclair, das ist der blanke Unsinn.« Er kicherte. »Von welch einem Band reden Sie überhaupt?«
»Vom Band des Teufels.«
»Ach.«
»Ja, es ist so, Martin. Nach dem Mord hat Ihr Vater Sie mitgenommen. Ich weiß nicht wohin, aber in der Zeit muß etwas geschehen sein, das Ihr gesamtes späteres Leben beeinflußt und auch verändert hat. Haben Sie gehört, Martin?«
»Sie sprechen laut genug.«
»Dann erklären Sie mir, was es gewesen ist.«
»Überhaupt nichts. Mein Vater und ich gingen nur spazieren. Er wollte weg. Außerdem kann ich mich nicht mehr erinnern.«
»Das glaube ich Ihnen nicht, Martin. Auch wenn Sie noch ein Kind waren. Der Anblick des Teufels ist jedoch eine bleibende Erinnerung. Interessant waren auch die Worte Ihres Vaters im Gerichtssaal. Er sprach von einem Pakt, der ewig währt. Und solche Pakte kann man nur mit der Hölle schließen. Ich kenne mich da aus.«
»Ich will, daß Sie gehen, Sinclair!«
»Gleich, aber dann begleiten Sie mich. Ich möchte von Ihnen ein Geständnis haben, Martin.«
»Nein!«
»Und ich will auch, daß der Teufel Sie nicht mehr belästigt. Haben Sie gehört?«
»Klar.«
»Also reden Sie.«
Er schaute mich an. Schweiß lief über sein Gesicht, das so naß glänzte, als hätte er sich gerade gewaschen. Sein Mund bewegte sich, als würde er an etwas kauen. In den Augen lag ein wilder Ausdruck, gleichzeitig auch düster, drohend und dunkel. Seine Hände hatte er zu Fäusten geschlossen. »Ich habe nichts getan.«
»Martin«, sagte ich mit ruhiger Stimme und erhob mich. »Vielleicht wissen Sie es selbst nicht. Sie
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