Mörderischer Auftritt
dich«, sagte ich. Es war das erste Mal, dass ich dies aussprach, aber ich wusste, dass es so war. Es kam nicht infrage, dass Haley Muffin zurückbekam. Muffins Schwanz schlug vor und zurück, als ich mit dem Ellbogen versehentlich an das Fenster kam und die Vögel davonflogen.
Sie sah mich mit einem Was-hast-du-jetzt-wieder-getan-Blick an.
»Tut mir leid«, entschuldigte ich mich.
Sie mochte mir vergeben oder auch nicht.
»Ich behalte dich trotzdem«, sagte ich.
Es war fast halb acht. Ich hatte die Nacht zuvor geschlafen, aber der Schlaf war nicht tief und erholsam gewesen. Fred hatte ebenfalls nicht gut geschlafen und war irgendwann in der Nacht aufgestanden. Die zusammengekrumpelte Decke auf dem Sofa sagte mir, dass er die restliche Nacht dort verbracht hatte. Ich hatte ihn nicht wegfahren hören und würde mich nachher mal nach ihm erkundigen. Er würde sicher auch wissen wollen, was Haley geschrieben hatte.
Fred hatte die Morgenzeitung hereingeholt und auf dem Tisch liegen lassen. Der Lokalteil war herausgenommen, und ich sah, wonach er wahrscheinlich gesucht hatte. Die Schlagzeile verkündete: UNFALLTOD EINES DARSTELLERS IM ALABAMA THEATRE.
Unfalltod? Keinesfalls. Herzanfall vielleicht.
Ich goss mir ein Glas Orangensaft und eine Tasse Kaffee ein und setzte mich, um die Geschichte zu lesen. Es stand nichts Neues darin. Ein Elvis-Imitator war während einerAufführung am Vorabend in den Orchestergraben des Alabama Theatre gestürzt. Im Universitätskrankenhaus war er für tot erklärt worden. Der Name wurde zurückgehalten, bis die Angehörigen verständigt sein würden.
Plötzlich überlagerte das Gesicht des Mannes, verzerrt, wie es am Abend zuvor gewesen war, den Artikel. Verdammt. Ich schob die Zeitung beiseite, streckte die Hand aus und schaltete den Fernsehapparat auf dem Küchentresen ein.
»Ein Unfall im Alabama Theatre am gestrigen Abend hat das Leben eines bislang nicht identifizierten Mannes gefordert.«
Ich schaltete den Fernseher ab und zwang mich, an Haleys Heimkehr zu denken. Ihr Kühlschrank müsste gefüllt werden, sicher war ihr nicht gleich nach Einkaufen zumute. Ich hatte eine Woche gebraucht, um den Jetlag zu überwinden, als wir aus Warschau zurückkamen, und ich war nicht schwanger. Ein paar Blumen wären auch hübsch.
Ich zog einen Stift und ein Blatt Papier aus der Schublade. Wenige Minuten später war ich völlig vertieft ins Listenschreiben.
Ein paar Regentropfen am Fenster ließen mich zusammenfahren. Ich warf einen Blick auf das Thermometer auf der Veranda und sah, dass draußen sechs Grad waren. Ein rauer Tag. März. Ich nahm meinen Regenmantel aus dem Schrank im Flur und ging nach Woofer schauen. Er lag warm und gemütlich in seinem Iglu zusammengekuschelt. Ich reichte ihm ein paar Leckereien, versprach ihm einen Spaziergang, sobald das Wetter besser wäre, und lud ihn ein, ins Haus zu kommen.
Er lehnte meine Einladung ab. Ich verpasste ihm die Umarmung und den Kuss, die Haley ihm gesandt hatte, und eilte zurück nach drinnen, wo das Telefon klingelte.
»Alles okay mit dir?«, fragte Fred.
»Ja. Und mit dir?«
»Doch. Ich habe letzte Nacht nicht viel geschlafen.«
»Ich auch nicht.«
»Hast du irgendwas über diesen Mann im Alabama gehört?«
»Sie sagen, es sei ein Unfall gewesen, und seinen Namen haben sie noch nicht bekanntgegeben.«
»Das war kein Unfall.«
»Ich weiß.«
»Lass es mich wissen, wenn du irgendwas erfährst.«
»Mach ich. Und, Schatz? Wir haben eine E-Mail von Haley bekommen. Sie kommen am 1. April zurück. Sie möchte, dass wir das Haus für sie aufmachen.«
»Das ist ja ein Ding.«
»Ja.«
Ich konnte mir das Leuchten in Freds Gesicht vorstellen angesichts dieser Neuigkeiten. Haleys Abwesenheit in den letzten Monaten hatte eine große Lücke in unserem Leben hinterlassen.
Das Telefon klingelte erneut, kaum dass ich aufgelegt hatte.
»Hamburger oder Egg McMuffin?«, fragte Schwesterherz.
Ich setzte eine frische Kanne Kaffee auf.
Sie musste vom Drive-in-Fenster angerufen haben, stand sie doch bereits an meiner Küchentür, noch bevor der Kaffee vollends durchgelaufen war.
»Verdammt«, sagte sie, während sie mir eine McDonald’s-Tüte hinstreckte, damit sie ihren Schirm zumachen konnte. »So viel zum sonnigen Süden.« Sie trat ein und zog ihren Regenmantel aus.
»Was um Himmels willen hast du denn da an?«, fragte ich. »Du siehst ja aus wie Yul Brynner.«
Sie wirbelte herum, sodass ich ihr Outfit von allen Seiten bewundern
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