Mörderischer Auftritt
schob ihren Stuhl zurück. »Ich muss in meinen Kurs. Kampfsport«, erklärte sie Mitzi.
»Das habe ich mir schon gedacht. Oder dass du für ›Der König und ich‹ probst. Du siehst aus wie Yul Brynner.«
»Das ist auch besser so, wenn man jemanden in den Hintern treten will. Yaaa! « Schwesterherz sprang auf und führte einen Karateschlag aus. Muffin huschte ins Wohnzimmer und verschwand im Flur.
»Wie fandest du Tammy Sue?«, fragte sie mich, während sie ihren Regenmantel anzog. Dass sie Mitzi dabei fast vom Stuhl fegte, ignorierte sie.
»Sehr nett.«
Schwesterherz nickte. »Wir werden gut miteinander auskommen.«
»Du hast ihr aber noch nichts von der Hochzeit erzählt, oder?«
»Das machen wir heute Abend.«
»Vergiss nicht, ihr zu sagen, dass sie Brautjungfer spielen soll.«
»Mach ich. Bye, Mitzi.« Ein kurzer Wink, und sie war verschwunden.
»Sie ist wundervoll«, sagte Mitzi voller Anerkennung, nachdem sich die Tür hinter Karate Kid geschlossen hatte. »Ich wünschte, ich hätte nur halb so viel Energie.«
»Könnte sein, dass sie in Virgils Tochter Tammy Sue einen ebenbürtigen Counterpart gefunden hat. Die sonnenblumengelben Brautjungfernkleider haben sich vielleicht erledigt.« Ich schauderte. »Warum gehen wir nicht ins Wohnzimmer? Ich zünde uns ein Feuer an.«
»Geht es dir gut?«
»Nur zu wenig Schlaf, denke ich. Aber kannst du dir mal die Beule an meinem Kopf anschauen? Kann es sein, dass eine Gehirnerschütterung ein paar Tage braucht, bis sie sich zeigt?«
Mitzi fuhr vorsichtig mit der Hand über den Hubbel und schaute dann meine Pupillen an.
»Sind sie in dem Fall erweitert oder verengt?«, fragte sie.
»Erweitert, denke ich.«
»Nun, ich habe nicht meine Lesebrille auf, aber sie wirken okay. Warum setzt du nicht deine Brille auf? Dann müssten sie sich vergrößern.«
Das tat ich, woraufhin ich für normal erklärt wurde.
»Mach es dir doch auf dem Sofa mit einem Buch gemütlich«, schlug Mitzi vor. »Ich gehe einkaufen. Brauchst du was?«
Ich brauchte Schlaf. Ich stellte das Telefon ab und haute mich hin. Eine der größten Vergnügungen des Ruhestandes. Ich vermisse meine Schüler, das muss ich zugeben, aber die Mathe-Förderstunden an der örtlichen Mittelschule, die ichan einigen Vormittagen in der Woche gebe, helfen darüber hinweg. Allerdings wünschte ich, es hätte mich jemand dreißig Jahre früher in das Geheimnis der Mathematik eingeweiht. Nur eine Antwort. Eine. Ich hatte wissenschaftliche Arbeiten benotet. Fußnoten. Bibliografien. Englische Grammatik. Und Mathelehrer überprüften gerade mal eine Antwort. Natürlich war ich sehr gut Freund mit ›Beowulf‹ und Walt Whitman geworden. Kein geringer Vorteil.
Als ich aufwachte, fühlte ich mich matt, aber besser. Immer noch prasselte Regen auf das Dachfenster, also war der Spaziergang mit Woofer gelaufen. Ich checkte das Telefon. Keine Anrufe. Mary Alice hätte mit Sicherheit ein Dutzend bekommen. Sie ist Mitglied in sämtlichen Vereinen Birminghams sowie im Vorstand des Museums, des Botanischen Gartens und des Tierschutzvereins. Suchen Sie sich etwas aus. Ich gehöre einem Investmentclub an, der sich ein Mal im Monat trifft und in dem sie auch Mitglied ist.
Ich machte mir ein Erdnussbutter-Bananen-Sandwich und setzte mich hin, um ›The Prize is Right‹ zu sehen. Aber ich konnte mich nicht darauf konzentrieren. Ich gab auf und schaltete aus, als eine Frau den Preis eines Kleintransporters um zehntausend Dollar überbot. Mein Gott. Was dachte sie denn, aus was der gemacht war? Aus Gold? Ich ging zum Schreibtisch und zog die Liste hervor mit den Dingen, die ich für Haley erledigen musste. Ich sollte etwas Besonderes für das Baby kaufen. Aber was? Irgendetwas, das sie gleich beim Hereinkommen im Haus sehen würden und das ihnen signalisierte, wie wahnsinnig wir uns auf unsere Enkeltochter freuten.
Ein Schaukelstuhl? Ich würde im Haus nachsehen, ob es dort einen Schaukelstuhl gab, der die richtige Größe hatte, um darin das Baby zu stillen und später dem kleinen Mädchen darin vorzulesen und sie in den Schlaf zu wiegen. Ichwar so sehr in meine Tagträume versunken, dass mich das Klingeln des Telefons hochschrecken ließ.
»Hallo, Tante Pat«, sagte Debbie. »Alles okay mit dir? Du wirkst so außer Atem.«
»Mit mir ist alles in Ordnung, Liebes. Ich denke nur gerade darüber nach, für Haley einen Schaukelstuhl zu kaufen, in dem sie das Baby wiegen kann. Ihn vielleicht schon dort im Haus stehen zu haben,
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