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Mörderischer Auftritt

Mörderischer Auftritt

Titel: Mörderischer Auftritt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne George
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immer noch im Tutwiler Hotel war, freudig erregt, begierig, in Erwartung. Hatte er nicht das Word »ekstatisch« benutzt? Ich ergriff die Chance. »Charles Boudreau ist definitiv aus dem Spiel?«
    »Definitiv.« Marilyn trank ein wenig von ihrer Milch. »Wie ist der Abend verlaufen?«
    Ich erzählte ihr, dass Virgils Kinder nicht allzu erfreut gewesen waren, von der Hochzeit zu erfahren, aber dass sich die Dinge zum Ende des Abends hin erfreulicher entwickelt zu haben schienen.
    Marilyn nickte. »Weißt du, was ich gedacht habe, als ich da lag, Tante Pat? Ich habe gedacht, dass ich morgen, bevor ich abfahre, zu Mama gehe und mit ihr rede. Ihr erzähle ihr, was ich mache. Ich meine, zum Teufel, ich werde an meinem nächsten Geburtstag vierzig. Ich sollte mich von meiner Mutter nicht mehr einschüchtern lassen. Es ist ja nicht so, dass sie ein Ungeheuer wäre.«
    »Wirst du ihr auch erzählen, dass du hier warst?«
    »Ich werde ihr alles erzählen.«
    »O Scheiße«, stöhnte ich.
    Schließlich ging ich zurück ins Bett, um zu schlafen. Als ich aufwachte, waren sowohl Fred als auch Marilyn weg. Es war nach neun, als ich mir eine Jogginghose überzog und rausging, um Woofer zu holen. Wenn Marilyn um acht losgezogen war, dann durfte ich spätestens um elf mit einemBesuch oder Anruf von Schwesterherz rechnen. Aber ich würde mich wie Marilyn nicht von ihr einschüchtern lassen. Ich war einundsechzig Jahre alt und eine starke Frau. Schwesterherz würde mir kein schlechtes Gewissen einimpfen, weil ich ihr nichts von Marilyns Aufenthalt bei mir erzählt hatte. Sie würde mich nie wieder Maus nennen oder behaupten, dass ich vor fünfundfünfzig Jahren ihre Shirley-Temple-Puppe verloren hätte.
    Das Wetter hatte seinen üblichen März-Wechsel vorgenommen. Eine strahlende Sonne leuchtete an einem wolkenlosen Himmel; es waren rund 15 Grad draußen. Gerade die richtige Temperatur für einen raschen Spaziergang, den Woofer und ich dann auch unternahmen. Ich würde mich gleich, wenn ich wieder zu Hause war, aufmachen, Haley einen Schaukelstuhl zu kaufen, beschloss ich. In die Bibliothek gehen. Mir vielleicht sogar einen Film reinziehen. Mich von zu Hause fernhalten.
    Aber als wir um die Ecke in Richtung unseres Hauses bogen, sah ich, dass das Auto von Schwesterherz bereits ins meiner Auffahrt stand.
    »Es ist okay, Woofer«, sagte ich. »Ich bin eine starke Frau.«
    Schwesterherz saß am Küchentisch und aß ein Kuchenbrötchen. »Zieh dich an, Maus«, sagte sie ruhig. »Wir gehen zu einem Treffen der Engelseher-Gesellschaft.«
    Also zog ich mich an.
    Ich denke, es ist mittlerweile klar, dass meine Schwester gern Mitglied in den verschiedensten Gruppen, Organisationen und Vereinen ist. Die Engelseher-Gesellschaft ist allerdings neu auf ihrer Agenda. Mary Alice hatte bereits seit Monaten versucht, mich dorthin mitzuschleppen, und das, obwohl ich noch nie einen Engel gesehen habe. Sie auchnicht, sagt sie. Alles, was man tun müsse, sei, an sie zu glauben und zu klatschen, wenn jemand von seinen Visionen erzählt. Bislang hatte ich mich von der Gesellschaft fernhalten können, aber Schwesterherz weiß, wann ich verwundbar bin. Sie sicherte sich meine Kooperation, als sie auf der Fahrt dorthin erwähnte, dass sie und Marilyn eine nette Unterhaltung gehabt hätten und dass sie verstünde, warum ich ihr nichts von Marilyns Aufenthalt in Birmingham erzählt hatte.
    So saß ich jetzt also in einem Besprechungsraum der Vestavia-Bibliothek und lauschte einer Frau, die ein Gedicht vorlas, in dem es um eine Engelsvision ging. Bevor sie las, teilte sie Fotokopien vom Text aus, damit uns auch nicht ein Wort entging.
    O Engel, der du fliegst über die Erde dahin,
    mit Frohsinn und Lachen erfüllst du uns den Sinn.
    Der du landest an meinem Bett im Morgenrot,
    um uns zu bringen unser täglich Brot.
    Das Gedicht hatte viele Verse, und ich klatschte zusammen mit den anderen, als es zu Ende war. Aber während des Vortrags hatte mich der Schlafmangel der vergangenen Nacht eingeholt, und Schwesterherz hatte mich mehrfach mit dem Ellbogen anstoßen müssen.
    »Du sabberst«, murmelte sie.
    Ich wischte mir das Kinn ab und versuchte, munter zu werden. Eine der Engel-Sichtungen erregte meine Aufmerksamkeit. Eine hübsch gekleidete Dame erzählte, wie sie eine junge Frau mitgenommen hatte, die an der Schnellstraßenauffahrt zum Red Mountain mit einem Schild gestanden hatte, auf dem zu lesen war: ARBEITE FÜR ESSEN.
    »Mein Enkel saß vorne neben mir«,

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