Mörderischer Stammbaum
enthaupten. Naja, sowas kommt leider
immer wieder vor, dass die Justiz Mist baut.“
„Was hat er mit den Frauen
gemacht?“
„Er... also, er hat sie
totgebissen. Wie ein Raubtier. Er... fühlte sich als Wolf. Als Großstadtwolf.
Er hat keine erschossen, erstochen oder erschlagen, sondern er... hat seine
Zähne benutzt. Sein... Raubtiergebiss.“
Ein paar Augenblicke herrschte
Schweigen.
Hawliczek, der an seine
Telefonkosten dachte, fragte, ob Kovechluser noch da wäre.
Worauf der sagte: „Ich kann
nichts für meinen Vorfahren. Ich bin nicht verantwortlich für seine Taten.“
„Natürlich nicht.“
„Aber dieser Verrückte könnte
im Nachhinein meinen Ruf schädigen. Ich bin ein politischer Mensch. Politiker
sind angreifbar.“
„Wird aber viel zu wenig
gemacht.“ Hawliczek kicherte. „Es darf sich nicht rumsprechen“, sagte
Kovechluser, ohne auf die Blödelei einzugehen. „Es wäre Schmutz auf meinem
ehrenwerten Namen.“
„Verstehe, Chef.“
„Am liebsten wäre mir, diese
ganze Dokumentation über meinen Urgroßvater würde verschwinden.“
„Da müssten Sie das
Kriminalmuseum kaufen. Aber das ist Staatseigentum. Sie müssten den Direktor
bestechen. Aber der ist nicht bestechlich. Ich kenne ihn. Dr. Franz-Josef
Blumenthal ist rechtschaffen und stur. Der hat nichts gelernt von den
Kriminellen, die man in seinem Museum besichtigen kann. Außerdem ist er
vermögend und hat Bestechung nicht nötig.“
Kovechluser zögerte, bevor er
sagte: „Und wenn das Museum in Flammen aufgeht?“
Hawliczek zischte scharf über
die Zähne. „Oh! Das wäre heiß.“
„Das ist es immer, wenn’s
brennt.“
„Also Brandstiftung.“
„Keine hässlichen Wörter,
Hawliczek!“
„Aber so heißt es nun mal.“
„Wie ist es? Könnten Sie die
Sache arrangieren?“
„Muss es das ganze Museum sein?
Oder genügt es, wenn nur die eine Abteilung abbrennt? Der Raum mit der
Dokumentation über Ihren Urgroßvater.“
„Das würde mir genügen. Oder
gibt es von den Ausstellungsstücken Kopien?“
„Im Prinzip nicht. Alles, was
dort ausgestellt ist, sind Originale. Sämtliche Gegenstände und auch die Fotos.
Wenn das futsch ist, ist Schluss mit der Ausstellung.“
„Was würde es mich kosten, wenn
die Erinnerung an Uropa Friedrich vernichtet wird?“
Hawliczek überlegte einen
Moment und nannte dann einen annehmbaren Preis: das Honorar für Brandstiftung.
Er würde seine Sache gut machen und Kovechluser fühlte sich ein bisschen
erleichtert, als er zu seiner Frau ins Kaminzimmer zurückging.
Sie wollte natürlich wissen,
wer der Anrufer war. Kovechluser brummelte was von einem Parteifreund, schenkte
sich einen Cognac ein und beschloss, etwas später noch einen Abendspaziergang
zu machen.
11. Der Ohrring
In der Telefonzelle roch’s
muffig. Jemand hatte von innen an die Scheiben gespuckt. Das zweibändige,
superdicke Telefonbuch der TKKG-Großstadt war zerfleddert. Aber Tim fand unter
,B’ etliche Bierröders, darunter einen Helmut mit dem Zusatz ,Inspektor’. Er
wohnte Leichtenstetter Straße 144.
„Das muss er sein“, meinte der
TKKG-Häuptling und hielt mit dem Fuß die Tür der Telefonzelle auf.
Seine Freunde lehnten sich auf
die Bikes. Oskar war nicht mehr dabei. Gaby hatte ihren Vierbeiner zu Hause
abgeliefert, weil ihm die Pfoten wehtaten.
„Leichtenstetter Straße“,
wiederholte Karl, was Tim gesagt hatte. „Kenne die Gegend. Eine
durchschnittliche Gegend. Nicht top, nicht übel, eben Durchschnitt. Brettern
wir hin?“
„Was denn sonst?“, meinte Tim.
„Anrufen und fragen, ob er am linken Lauschlappen männliches Geschmeide trägt —
exakt wie der Beißer unter seiner Maske — das, glaube ich, geht nicht.“
„Du könntest ja sagen“, warf
Klößchen ein, „dass ein Ohrring gefunden wurde. Von dir, natürlich. Und dass
dir jemand erklärt hat, der Ohrring gehöre einem gewissen Inspektor Bierröder.
Vielleicht bejaht der dann. Oder er sagt, es sei nicht sein Ring, weil er den
gerade mit einem milden Reinigungsmittel putzt. Gaby, womit putzt man Ohrringe
eigentlich?“
„Mit lauwarmem Wasser“,
erwiderte Tims Freundin.
„Dachte ich mir“, nickte
Klößchen. Er sah Tim erwartungsvoll an und hoffte, der weite Weg zur
Leichtenstetter Straße würde allen erspart bleiben.
Aber der TKKG-Häuptling war
anderer Meinung.
„Sowas regelt sich am besten
Auge in Auge“, behauptete er. „Am Telefon würde uns dieser Tauben-Henker
ohnehin keine Auskunft geben. Außerdem hat
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