Mörderischer Stammbaum
die Erbin einer kleinen Brauerei, die es inzwischen nicht mehr gab.
Kovechluser hatte mit Rosas Geld seine ganz spezielle Karriere gemacht.
An diesem Abend saßen beide im
Kaminzimmer und Kovechluser berührte ab und zu mit der Zungenspitze seinen
künstlichen Zahn unten rechts. Er sah gut aus, nämlich wie in seinem Kiefer
gewachsen. Also echt und genau im richtigen Gelbton. Allerdings hatten sich leichte
Nachschmerzen eingestellt, von denen Dr. Fritz-Eugen Bachrippe, der Zahnarzt,
behauptete, sie würden morgen verschwunden sein.
Kovechluser las mit einem Auge
in einem Wirtschaftsmagazin, mit dem anderen Auge verfolgte er den
Fernsehkrimi, der sich über die Mattscheibe quälte. Der Film enthielt viele
Szenen, die Kovechluser aus anderen Krimis schon kannte. Dutzendware,
Massenware. Einfallsarmut. Verblödungsfutter. Mehr als müde Anteilnahme mit
einem Auge war der Streifen wirklich nicht wert.
Rosa saß mit dem Rücken zum
TV-Gerät und blätterte soeben durch die fünfte Hochadels-Postille.
„Wusstest du, Bernd, dass die
Prinzessin Kikki mal was mit ihrem Chauffeur gehabt haben soll?“
„Hm.“
„Wirklich! Eine Affäre.“
„Hm.“
„Dabei ist dieser Constantin
Costanapolis doch 30 Jahre älter als sie.“
„Tatsächlich?“
„Oder 35!“
„Hm.“
„Bernd! Interessiert dich das
nicht?“
„Doch, doch! Ich könnte nicht
leben ohne diese Informationen.“
„Man muss mitreden können!“
„Aber ja.“
„Worüber redet ihr eigentlich
in den Ausschusssitzungen eurer blöden Partei?“
„Über Prinz Constantin
natürlich und seine Chauffeuse Kikki. Werden sie heiraten?“
„Das geht doch nicht. Er ist
tot. Er hatte einen tödlichen Verkehrsunfall. Aber Kikki besucht jede Woche
sein Grab und legt eine rote Rose auf die kalte Marmorplatte. Das spricht doch
Bände, wie? Da merkt doch jeder, was für eine zarte Romanze sich abgespielt
hat.“
„Hm.“
„Mit dir kann man nicht reden,
Bernd. Du hast für nichts Interesse. Nur für deine Firma und für die Politik.
Tut’s noch weh?“
Sie meinte den Zahn, legte aber
keinen Wert auf eine Antwort, sondern redete gleich weiter von dem innigen
Verhältnis zwischen Kikki und ihrem Chauffeur.
Kovechluser hörte nicht zu.
Dann klingelte das Telefon.
Es war der Apparat in der Diele
und der Stadtrat begab sich hinaus und schloss die Tür hinter sich.
20.04 Uhr.
Er hatte eine Ahnung, wer das
sein könnte, meldete sich und konnte einen Rülpser nicht unterdrücken. Die
Bratkartoffeln, die er heute Abend zur Rebhuhnbrust gegessen hatte, waren mal
wieder zu fett gewesen.
„André Hawliczek“, sagte die
seifige Männerstimme am anderen Ende der Leitung. „Habe die Ehre, Herr
Kovechluser, wie ist das werte Befinden? Bestimmt sehr gut, hahahah! Und auch
das der werten Gemahlin. Ich hoffe, ich störe nicht.“
„Mann! Quatschen Sie keine
Opern! Ich fiebere auf Ihren Anruf. Sie sind pünktlich. Gut so! Also, wie sieht
es aus?“
André Hawliczek war Detektiv.
Privatdetektiv, Schnüffler, Privatermittler, Plattfuß. In Wien. Er hatte drei-
oder viermal kleine Aufträge für Kovechluser erledigt. Sie kannten sich seit
zehn Jahren. Hawliczek war zuverlässig und verschwiegen. Aber das waren seine
einzigen Grundsätze. Für Geld fasste er jeden Dreck an und für großes Geld
schreckte er auch vor Straftaten nicht zurück.
„Naja, Chef. Nicht so
berauschend. Ich war also im Kriminalmuseum. Es hat neuerdings bis 19 Uhr
geöffnet. Und die Frau, die dort abends...“
„Was ist mit Friedrich
Kovechluser?“, fiel ihm Kovechluser ins Wort.
„Tut mir leid, Ihnen das sagen
zu müssen. Aber er ist wirklich Ihr Urgroßvater. Sie sehen ihm sogar ähnlich.
Ich will nicht sagen ,wie-aus-dem-Gesicht-geschnitten’, aber fast. Besonders
auf dem Foto kurz vor Friedrichs Hinrichtung ist die Ähnlichkeit verblüffend.
Der Mann war überhaupt nicht abgemagert im Gefängnis. Die meisten
Todeskandidaten sehen ja immer so gotterbärmlich mager aus. Und blass! Und...“
„Was hat er gemacht?
Einzelheiten, Hawliczek!“
„Er hat Frauen umgebracht.“
„Das weiß ich. Aber wie?“
„Da hat’s mich geschüttelt,
Chef. Und zu erklären ist das ja nur mit der Geisteskrankheit. Denn
geisteskrank ist er gewesen. Muss er gewesen sein. Das geht auch aus den
Berichten hervor. Und man muss der damaligen Justiz einen Vorwurf machen. Ihr
Urgroßvater hätte in eine Heilanstalt gehört. Oder in sichere Verwahrung. Denn
man kann doch einen Kranken nicht einfach
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