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Mörderischer Stammbaum

Mörderischer Stammbaum

Titel: Mörderischer Stammbaum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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gefülltes Bord. Eine bedrohliche
Konstruktion, wie Tim fand. Denn wenn dieses Arsenal herunterkrachte war die
Katastrophe perfekt.
    „Da ist er!“, sagte Tim. Im
selben Moment stieß er zischend die Luft aus. „Und mit wem sitzt er am Tisch!
Das ist dieser Lothar Redl, Gaby! Der Giftköder-Fabrikant! Der Typ, den ich in
den Fluss-Auen..

    „Ich erkenne ihn, Tim. Und ich
erinnere mich auch.“
    „Klar. Ich bin ja nur total
überrascht. Wieso kennt Bierröder diesen Redl?“
    „Gesochs zu Gesochs!“, urteilte
Gaby. „Das ist wie mit dem Gesindel. Da gesellt man sich auch zueinander. Aber
wer sind die beiden Frauen?“
    Eine Blondine und eine Brünette
saßen bei Bierröder und Redl am Tisch, hatten tiefausgeschnittene Blusen und grellgeschminkte
Gesichter. Die Blonde zeigte beim Lachen einen breiten Streifen vom oberen
Zahnfleisch. Die andere gackerte bei der gleichen Heiterkeit wie ein Huhn und
hüpfte auf ihrem Stuhl herum, po-lings.
    „Die gehören zur Kneipe, Gaby“,
stellte Tim fest. „Animiertussis. Die sorgen dafür, dass die Herren Zeche
machen.“
    „Herren? Siehst du irgendwo
Herren?“
    „Tim, Karl und ich“, tönte
Klößchen aus der zweiten Reihe, „sind heute Abend in diesem Bezirk die einzigen
Herren.“
    „Dann bin ich in guter
Begleitung“, nickte Gaby. „Also, ich muss mich wundern über den Inspektor. Seit
einem halben Jahr, wie uns der blonde Igelkopf sagte, beschließt Bierröder hier
seine Arbeitswoche. Aber nicht nur wegen des Bieres. Offenbar sucht er auch
Damengesellschaft. Er belügt seine Frau also nach Strich und Faden. Immer mehr
passt zusammen, wie? Der Taubenmörder ist auch ein Lügner und vermutlich auch
ein Ehebrecher. Wenn er außerdem noch der Beißer ist, wäre uns was gelungen.
Nämlich ein großer Fang.“
    „Gleich wissen wir’s“, sagte
Tim.
    „Nämlich?“
    „Ich gehe rein, ziehe die
Ohrring-Arie ab und ihm die Unterlippe runter. Natürlich berühre ich sein Maul
nicht mit bloßen Fingern. Karl, kannst du mir deine Handschuhe leihen? Oder
wenigstens einen?“
    Karl war immer der Erste im
Spätherbst, der seine Fingerfutterale hervorholte. Dünn wie er war, fror es ihn
beim Bike-Brettern und scharfem Gegenwind leicht an den Vorderhufen.
    „Den rechten Glove? Oder den
linken?“, fragte er.
    „Den linken.“
    „Ich lasse den rechten an“,
meinte Karl, „und komme mit. Besser ich als Gaby. Diese Kaschemme ist nichts
für Mädchen. Sondern ausschließlich für Herren.“
    „Haltet euch nicht zu lange
auf!“ befahl Gaby.
    Warme Luft, die nach
verschiedenen Parfüms roch schwallte den Jungs entgegen, als sie eintraten.
Niemand trank Bier, wie Tim mit einem Rundblick feststellte. Name hin, Name her
— hier zuzzelte man Sekt oder Champagner. Dafür sorgten die Animierdamen, die
zu acht herumsaßen — an verschiedenen Tischen.
    Hinter der Theke hantierten
zwei kräftige Typen. Der im weißen Hemd sah aus wie der Wirt. Der andere war
jünger und hatte einen blonden Stachel-Schnurrbart auf der zu kurzen Oberlippe.
    Tim trug seine Cap wie üblich
verkehrt herum. Zielstrebig schritt er zu dem Bierröder-Redl-Tisch. Der
Inspektor saß mit dem Rücken zum Eingang und klatschte soeben der Blonden aufs
Knie.
    Redl bemerkte Tim und bekam
einen Blick wie ‘ne Doppelflinte.
    „Heh!“, redete er über die drei
anderen hinweg. „Jetzt gibt’s Terror. Gleich wirft uns dieser Krawall-Typ um.
Peter Carsten heißt er — und ist gefährlich wie Zyankali. Darf der eigentlich
hier rein? Ist der schon 18?“
    „Nicht mal mit 80“, erwiderte
Tim — und blieb hinter Bierröder stehen, „würde ich hier freiwillig reinkommen.
Im übrigen geht’s nicht um Sie, Lothar Redl, sondern um unseren blutrünstigen
Tauben-Killer. ‘n Abend, Herr Inspektor.“
    Tim trat einen Schritt vor, so
dass Bierröder ihn sehen konnte. Die beiden Frauen hatten ihr Gekicher
eingestellt und blickten kuhäugig.
    „Von Ihrer Gattin“, Tim
grinste, „hörten wir, dass Sie in der Herkules-Arena Gymnastik treiben, um
ihren Speckwanst zu stählen. Aber dort hat man Sie schon lange nicht mehr
gesehen. Weshalb wir Sie suchen? Sie haben heute Mittag — als Sie auf dem Rasen
rumkrochen — Ihren Ohrring verloren.“
    Bierröder hatte sich verfärbt.
Aus blassen Augen starrte er Tim an. Mit der Linken griff sich der Inspektor
unwillkürlich ans Ohr. Aber dort war alles in Ordnung, der kleine Goldreif hing
nämlich im rosigen Läppchen.
    Als hätte man einem Ferkel eine
Ohrenmarke verpasst, dachte

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