Mörderisches Musical
sobald sie kämen.
Im Wohnzimmer sah es noch schlimmer aus als in
der Diele. Sofakissen waren aufgeschlitzt; winzige Federn schwebten durch die
Luft und fielen auf den Couchtisch und die Brücken. Das Klavier war übel
zugerichtet. Izz hielt sich schnuppernd nahe an ihren Füßen. Kassetten und CDs,
manche mit, manche ohne Hüllen, lagen zertreten auf dem Boden bei dem, was von
einer teuren Stereoanlage übrig war. Stumpfes graues Licht fiel durch senkrechte
Jalousien.
Ein breiter Flur führte zu den Schlafzimmern.
Durch den ganzen Flur hingen Fotografien schief an den Wänden, als wäre ein
Tornado durchgebraust. Einige waren auf den Boden gefallen, ihr Glas
zersprungen. Wetzon hob eine auf. Ein ernster Michael Bennett, der ein
schwarzes T-Shirt unter einer Smokingjacke trug, und eine strahlende Dilla
Crosby, deren üppiger Busen fast aus dem weitausgeschnittenen Goldlaméfutteral
fiel.
Wetzon lehnte das Foto auf dem Boden an die
Wand. Jeder Tag ein kleiner Tod, dachte sie.
Das große Schlafzimmer war ein Wintergarten. Ein
Wald aus Pflanzen, die umgekippt in ihrer Erde auf dem cremefarbenen Teppich
lagen. Die Matratze lag auf dem Boden, aufgeschlitzt wie das Sofa im
Wohnzimmer. Keine Bettdecke. Sie war benutzt worden, um Wetzon darunter zu
begraben. Schränke standen weit auf, ihr Inhalt durcheinandergeworfen. Eine
unheimliche Stille lag über dem Zimmer, bis auf das Schnaufen des Hundes und
das Tropf, tropf, tropf eines Wasserhahns.
»Susan?« Wetzon stand still und lauschte.
Izz tollte ins Bad, und Wetzon folgte. Ein
nasses Handtuch lag zusammengeknüllt auf dem Schachbrettmuster des gefliesten
Bodens zwischen Make-up-Flaschen, Töpfchen mit Gesichtscremes, Kaltpackungen
und Aspirin. Der Spiegel am offenstehenden Arzneischränkchen war ein
Spinnennetz aus Sprüngen. Sie hielt den Atem an und zog den Duschvorhang
zurück. Halb erwartete sie, Susan da liegen zu sehen, zerhackt von Norman
Bates. Doch die Wanne war leer. Die Fußmatte aus klarem Plastik war naß, und
einer der Hähne tropfte. Sie fuhr mit dem Finger leicht über die weiße Keramik.
Naß. Hatte Susan unter der Dusche gestanden, als sie einen Einbrecher hörte?
Wie war er hereingekommen? Wetzon ging durch den
Flur zurück und sah im zweiten Schlafzimmer nach. Es war als Büro eingerichtet.
Schubladen waren herausgerissen, die Regale abgeräumt. Papiere und Bücher lagen
überall herum. Auch hier Erde auf dem dunklen Holzboden. Ein üppig gewachsener
wilder Wein lag wie gelähmt da, mit freigelegten Wurzeln.
Und mitten im Zimmer stand ein schlichter alter
Schaukelstuhl; auf dem Sitz lag, wie ein zotiger Witz, der Ochsenschädel, der
in der Diele gehangen hatte. Eine bemalte Wiege aus Kiefernholz lag anscheinend
unbeschädigt vor dem Schreibtisch.
Im Flur traf sie Novakovich, der aus dem großen
Schlafzimmer kam. »Was für ein Durcheinander. Die Polizei ist unterwegs. Was
soll ich der Hausverwaltung erzählen?« Wetzon folgte ihm in die Diele und sah
ihn die Tür öffnen. »Keine Spur von Ms. Orkin?«
»Nein.« Angst setzte sich in ihr fest, zog ihr
die Brust zusammen. »Ihr ist etwas Schreckliches zugestoßen.«
Der Hausmeister schüttelte den Kopf. »Sie ist
verreist. Sie hat mir gesagt, daß sie wegfährt.«
»Vielleicht, aber ich glaube es nicht. Ihr
Koffer liegt dort drüben.« Izz rieb sich an ihr, den Schwanz zwischen den
Beinen, die Ohren angelegt. »Was ist mit der Küche? Haben Sie nachgesehen?«
»Ja. Es ist so schlimm wie überall...«
»Gibt es in der Küche nicht einen
Lieferanteneingang?« Wetzon lief schon durch die Küchentür. Zerstörung auch hier.
Der kleine Hund winselte und rannte an die Außentür. »Diese Tür, haben Sie die
aufgemacht?«
» Do Djavola ! Entschuldigen Sie, Miss. Ich sage ihnen immer,
sie sollen sie abschließen. Nie hören sie auf einen.«
Izz steckte die Schnauze in den winzigen Spalt zwischen
Tür und Rahmen und winselte. Novakovich drückte die Tür mit dem Knie auf.
Sorgfältig achtete er darauf, nichts zu berühren. Doch Wetzon erinnerte sich,
daß er die Wohnungstür und die Sprechanlage bereits angefaßt hatte.
Ein glänzender schwarzer Mülleimer stand direkt
vor der Tür, der Deckel ein Stück entfernt. Tageszeitungen und Zeitschriften
lagen getrennt gebündelt auf dem Boden. New York machte ernst mit dem
Recycling.
Wetzon trat auf einen graugrün gestrichenen
Treppenabsatz hinaus, unmittelbar hinter Izz, die am Rand der Treppe wieder zu
zittern und zu winseln begonnen hatte. Sie blickte
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