Mörderisches Musical
gelassen.
Und der Einbruch? Es könnte ein einfacher Einbruch gewesen sein, der nichts mit
anderen Dingen zu tun hatte. Wem machte sie etwas vor? Instinktiv spürte sie,
daß es mehr mit Richard Hartmann als mit Susan und Dilla zu tun haben könnte.
Sobald Arthur die Papiere hätte, würde sie nicht mehr daran denken müssen.
Sie nahm den Umschlag aus ihrem Safe bei der
Citibank und ging zum Postamt, wo sie eine Nummer ziehen und warten mußte. Als
ihre Nummer oben aufleuchtete, legte sie die Benachrichtigung vor und bekam
einen dicken gefütterten Umschlag mit der Aufschrift Bücher ausgehändigt.
Es wurde spät. Sie schob den gefütterten
Umschlag in die Aktentasche zu dem Umschlag für Arthur und winkte einem Taxi,
das die Columbus hinunterfuhr.
Die Innenstadtfiliale von White, Mooney befand
sich im vierten Stock der Fifth Avenue 650. Die Empfangsdame, eine junge
Schwarze mit glattem braunem Haar und purpurrotem Lippenstift, saß in einem
Glasgehäuse und brach gerade Stücke von einem Krapfen ab, der auf einer
fettigen Serviette lag. »Ja?« Sie hatte einen Schnurrbart aus Puderzucker.
»Mr. Greenberg. Ich habe einen Termin um neun
Uhr fünfzehn.«
»Ihr Name ist?«
»Mrs. Brenda Goldstein.«
Die Empfangsdame drückte mehrere Knöpfe und
sagte: »Tom? Hier ist eine Mrs. Brenda Goldstein für dich.« Sie sah Wetzon an
und legte auf. »Durch diese Tür, dann gehen Sie geradeaus und rechts ab. Er hat
das dritte Büro nach der Ecke.« Sie wandte sich wieder dem Krapfen zu.
Alles in der Filiale war in verschiedenen Brauntönen
gehalten. Schreibtische in Dunkelbraun, Trennwände in Beige, Teppichböden in
Schwarzbraun. Die Türen zu den Büros standen offen, und sie sah im Vorbeigehen
Makler an bedenklich vollgestopften Schreibtischen. Sie sprachen in Telefone
oder starrten auf Computerschirme. Auf der Glaswand neben der Tür jedes
Privatbüros befand sich ein Namensschild. Die meisten Namen gehörten Personen,
mit denen sie im Laufe der Jahre gesprochen hatte, denen sie jedoch nie
begegnet war.
Der Börsensaal, wo die kleineren, häufig
jüngeren Produzenten saßen, sah so ähnlich aus. Jeder Makler hatte seine eigene
beigefarbene Kabine, einen L-förmigen braunen Schreibtisch, einen braunen Stuhl
und Papier en gros. Zwei junge Männer unterhielten sich stehend über ihre
beigen Trennwände und tranken dabei Kaffee. Es war schwer zu erraten, ob sie
Klatsch oder Ideen austauschten. Wall Street war eine herzhafte Mischung aus
beidem.
Sie bog um die Ecke, zählte drei Büros und blieb
vor dem mit Tom Greenberg auf der Scheibe stehen. Greenberg war am
Telefon. Er zeigte auf den Stuhl vor seinem Schreibtisch.
»Wir sind auf dem Höchststand ausgestiegen. Ja.
Vierzig einhalb. Weiß ich nicht. Warten wir ein paar Tage ab. Ich denke, wir
sind für eine Korrektur.«
Wetzon setzte sich und dachte, daß er ein wenig
wie eine Wanderratte aussah: Wieselaugen, kurzes dunkles Haar wie ein Verkäufer
von Füller Brush. Die Ratte war in einen grauen Nadelstreifen gestopft, dessen
Jackett über der Stuhllehne hing, während er in gestärkten weißen Hemdsärmeln
dasaß. Von irgendwo hinter Papierstößen und schwarzen Ringbüchern stieg Rauch
in Spiralen auf. Er war ein wahres Pulverfaß. Greenberg hatte ihr gesagt, er
sei fünfundvierzig. Genauso sah er aus.
»Wetzon«, hatte er gesagt, als sie ihn vor zwei
Wochen angerufen und zu einem Drink eingeladen hatte. »Ich bin in zwanzig
Jahren bei sechs Firmen gewesen. Für einen Scheck gehe ich überall hin.«
Seine Produktion belief sich auf eine halbe
Million, sonst hätte sie sich nicht die Mühe gemacht.
Greenberg knallte den Hörer auf. »Brenda
Goldstein, wie?« Seine Nägel waren ganz kurz abgebissen.
»Na ja, ich hielt es nicht für sehr
professionell, in einer Firma, aus der wir Makler herausholen, mit Smith und
Wetzon anzugeben. Darf ich die Tür zumachen?«
»Nein. Was schert mich das?«
»Ich würde mich wohler fühlen, wenn sie zu
wäre.«
»Dann machen Sie sie zu.«
Sie stand auf, schloß die Tür, setzte sich
wieder. »Beunruhigt Sie das nicht, daß Ihr Geschäftsführer herausbekommen
könnte, daß Sie sich umschauen? Er wird sich auf einmal schrecklich für Sie und
Ihre Kundenbücher interessieren, wenn Sie vom ersten Vorstellungsgespräch
zurückkommen.« Es war fast ausgeschlossen, an der Wall Street etwas
geheimzuhalten, und da die Makler wie Nomaden von einer Firma zur anderen
wechselten, war es sicher, daß ein Kandidat erkannt würde. Wie ein
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