Mörderisches Musical
wollen.«
»Mort, alter Kumpel.« Ein großer Mann in einem
Zweitausend-Dollar-Anzug, mit dunklem Haar, das gerade den richtigen Anflug von
Weiß an den Schläfen aufwies, umklammerte Morts Schulter. Sie gaben sich feierlich
die Hand. »Wie geht es? Furchtbar traurig, die Sache mit Dilla. Was für eine
Tragödie.«
»Ja, wir werden sie vermissen«, erwiderte Mort
mit genau — dem richtigen Grad wohlüberlegter Melancholie, »aber sie hätte
gewünscht, daß wir weitermachen.«
Klar, dachte Wetzon. Das Leben ging weiter — The
Show must go on.
Sie erkannte den Mann im
Zweitausend-Dollar-Anzug. Joel Kidde war der exzentrische Leiter der in der
Welt führenden Talentagentur. Kidde warf einen Blick auf Smith und stand so
lange herum, bis Mort alle miteinander bekannt machte. »Tja...«, sagte Kidde,
und sein Blick ruhte auf Smith. »Dann sehen wir uns in Boston, Mort.« Er ging
einen Tisch weiter, wo er weitere Bekannte traf.
»Was für ein interessanter Mann«, murmelte
Smith.
Was habe ich getan, dachte Wetzon.
Inzwischen hatte Mort seinen Kommentar zum
Budget wieder aufgenommen. »Womit wir nicht gerechnet haben, Twoey, ist, daß
wir keine Vorbestellungen für die vollen drei Wochen in Boston bekommen würden.
In den ersten beiden Wochen stehen wir gut da, was bedeutet, daß wir in der
dritten Woche einbrechen könnten, falls die Kritiken langweilig oder gemischt
sind.«
»Wieviel, denken Sie, werden Sie brauchen?«
fragte Twoey.
»Eine Million würde mit Sicherheit alles
abdecken und uns einen Tilgungsfonds geben.«
Twoey studierte die Budgetposten. »Das ist
machbar.«
Sunny bemerkte: »Wenn Sie etwas nicht verstehen,
fragen Sie bitte.« Ihr schulterlanges Haar war sandfarben mit gebleichten
Strähnen. Sie hatte es aus dem ein wenig pferdeartigen Gesicht nach hinten
gekämmt und hielt es mit einem schwarzen samtenen Stirnband.
Twoey grinste sie an; sie lächelte zurück. Daß
Sunny ihn mochte, war offensichtlich.
Mit halb heruntergelassenen Augenlidern
betrachtete Smith Twoey, dann Sunny und wieder Twoey. Gefahr, dachte Wetzon.
Gefahr — Gefahr — Gefahr.
»Wir schätzen unsere Gewinnschwelle — das heißt,
das wöchentliche Betriebsbudget — auf ungefähr
vierhundert-zweiundneunzigtausend. Auf der Grundlage von wöchentlichen
Kasseneinnahmen bei der Kapazität eines Broadwaytheaters von
sechshundertfünfzigtausend wäre der wöchentliche Betriebsgewinn eins
achtundfünfzig. Bei vollen Häusern würden wir etwa einunddreißig Wochen
brauchen, um die Investition zurückzuzahlen. Und der Abstecher ist eine Sache
für sich. Da gibt es betriebsbedingte Kosten, höhere Gagen, Reisespesen und
Kosten für das Ein- und Ausladen. Wir rechnen nie damit, daß wir bei
Gastspielen Geld verdienen, aber wir wollen auch kein Geld verlieren.«
»Müssen Sie nach Boston gehen?« erkundigte sich
Smith. »Warum keine Voraufführungen in New York? Würden Sie da nicht eine Menge
Geld sparen?«
Mort schüttelte den Kopf, und sein Lächeln war
beinahe gönnerhaft. »Ja, aber ich weiß, daß man in New York an keiner Show
feilen kann, wo jeden Abend diese verdammten Besserwisser hereinkommen und
einen hinterher kritisieren und sagen, was man falsch macht.«
»Außerdem«, warf Sunny ein, »sind wir dem Colonial verpflichtet. Sie haben in gutem Glauben Karten vorverkauft. Wir müssen
fahren.«
»Was ist mit dem Mord?« Twoey schrieb mit einem
goldenen Federhalter Notizen zum Budget auf.
»Der sollte uns überhaupt nicht
beeinträchtigen«, antwortete Sunny. »Obwohl er vielleicht auf eine perverse
Weise den Kartenverkauf steigern wird.«
»Dilla war eine liebe Freundin«, stimmte Mort
an, »aber für uns steht hier eine Menge auf dem Spiel.«
» The Show must go on «,
murmelte Wetzon.
»Selbstverständlich, Leslie hat völlig recht. Es
ist noch nicht lange her, daß sie eine von uns war, und was uns betrifft, ist
sie es immer noch.«
»Danke, Mort«, sagte Wetzon. »Das glaube ich
auch.« Sie sah zu Smith hinüber, die ganz gegen ihre Art schweigsam war. Smith
lächelte von einem Ohr zum andern.
Mort zog seine Brille wieder auf die Nase und
streichelte seine Platte. »Hören Sie, wenn Sie interessiert sind, Twoey, bin ich
bereit, Sie als Koproduzenten anzunehmen und Ihnen beizubringen, was ich weiß.
Sunny ist mein Zahlenknacker, sie kann sich also mit Ihnen zusammensetzen
und...«
An dieser Stelle schlug Smith zu. »Die Smith
& Wetzon-Pensionskasse«, verkündete sie vergnügt, »wird fünfzigtausend
Dollar
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