Mörderisches Musical
meine Aufgabe ist, Morts Show zu
finanzieren.«
»Gut, dann also fünf. Meine Partnerin, Xenia
Smith, ist sehr daran interessiert, in die Show zu investieren.«
Smith begann im Zeitlupentempo Beifall zu
klatschen, und Wetzon beendete das Gespräch.
»Wer war das?« Smith’ Miene war die reine
Unschuld.
»Mort Hornbergs Assistentin, Sunny
Browning. Sie beschafft das Geld
für die Shows. Du lernst sie beim Mittagessen kennen.« Doch Wetzon war sich
sicher, daß das Mittagessen zur Strapaze werden würde. Smith war zum Streiten aufgelegt.
Smith betrachtete eingehend ihre Fingernägel und
sagte:
»Bestimmt.« Sie stand auf, riß die Tür zum Bad
auf und lächelte sich in dem Ganzfigurspiegel an. »Was sind das wohl für Leute,
die ein Kind Sunny nennen? Ist sie schwarz?«
»Nein. Und wäre das nicht sowieso egal? Ihr
richtiger Name ist Sunshine.«
»Sunshine! Unglaublich!« Smith begann an ihrem
Make-up herumzumachen und legte Rouge auf.
Mein Königreich für ein Valium, dachte Wetzon.
Das Telefon läutete einmal, zweimal, dann hörte
es auf. Max klopfte und machte die Tür auf. »Mrs. Orkin für dich, Wetzon.«
»Für mich?« Mrs. Orkin? Susan Orkin?
»Ja.« Max machte die Tür zu.
Sie nahm den Hörer ab: »Leslie Wetzon.«
»Leslie, Susan Orkin.« Eine weiche Stimme mit
einer gewissen sexy Heiserkeit. Irgend etwas entfernt Bekanntes klang an.
»Ja?« Wetzon blieb unverbindlich.
»Du erinnerst dich wohl nicht.«
»Tut mir leid.«
»Ich war Susan Cohen, als wir zusammen am
Douglass waren.«
»Susan Cohen? Vom Douglass? Das gibt’s doch
nicht.« Was für eine Überraschung. Susan Orkin war die ganze Zeit Susan Cohen
gewesen, und Wetzon hatte es nicht gewußt. Sie sah das Mädchen Susan Cohen so
deutlich vor sich, als wäre es gestern gewesen. Schlank, winzig, honiggelbes
Haar, eine attraktiv gebogene Nase, Grübchen. Sie hatten während der vier Jahre
am College viele Kurse gemeinsam belegt.
»Ich bin Susan Cohen Orkin. Dilla und ich...«
»Ich weiß. Ich wußte nur nicht, daß du die Susan
bist, die ich kannte. O Gott, das klingt so verworren. Es tut mir leid wegen
Dilla. Kann ich irgendwas für dich tun?«
Diesmal brach Susans Stimme: »Bitte, können wir
uns ungestört unterhalten? Ich brauche deine Hilfe.«
Sie
gaben ihre Mäntel an der Garderobe ab und gingen langsam die mit einem
Teppich ausgelegte Treppe hinauf. Wie immer drehten sich Köpfe nach Smith. Sie
waren spät dran. Wetzon war so darauf bedacht, pünktlich zu sein, daß sie immer
zu früh kam, doch wenn Smith mit von der Partie war, kamen sie stets zu spät.
Für Wetzon war das tour Seasons ein
magischer Ort. Achtzehn Stufen führten in das aufregendste Restaurantambiente
in New York. Die Decken spannten sich wenigstens sieben Meter hoch. Da Winter
war, enthielten die Blumenkübel nackte, pfeilgerade Ruten weißer Birken. Das
Personal trug braune Uniformen. Das ganze Jahr über fand man sich im Restaurant
ein, um bei einem Drink Geschäfte einzufädeln, um im Grillroom beim Mittagessen
Arbeitsgespräche zu führen oder im Poolroom Erfolge mit einem Abendessen zu
feiern.
Sie und Smith waren von dem Mann, der damals ihr
gemeinsamer Rechtsanwalt gewesen war, ins Four Seasons eingeführt
worden. Sie hatten ihre Firma bei Drinks im Grillroom gegründet. Wetzon traf
sich hier zu Besprechungen mit Börsenmaklern. Einer — Barry Stark — war in der
Telefonzelle gleich neben dem Vorraum im Parterre ermordet worden. Der
Detective, der den Fall bekommen hatte, war Silvestri gewesen.
Obwohl Wetzon sich immer noch im Four Seasons
mit Maklern verabredete, konnte sie die Panik, die sie jedesmal überfiel,
wenn sie diese Treppe hinaufging, nicht überwinden.
Ohne jedes Gefühl von Zeitdruck ließ Smith sich
darauf ein, Höflichkeiten mit Paul Kovi auszutauschen, einem der Besitzer, der
heute hinter dem Reservierungspult stand. Wetzon sah sich im Raum um. Wie sie
vermutet hatte, waren alle da, sogar Mort, der genauso notorisch unpünktlich
wie Smith war. Sie saßen an einem der rechteckigen Tische vor der mit Rosenholz
getäfelten Rückwand unter dem Balkon.
Die Männer sprangen mit entschieden mehr Schwung
auf, als Wetzon für nötig hielt. Mort, dessen Säcke unter den blutunterlaufenen
Augen heute besonders auffielen, spielte die Rolle des kreativen Genies, in
Jeans und rotem Cashmere-pullover — zweifellos passend zu den Augen — ,
Tweedjackett und auffälliger Seidenkrawatte. Die Schildpattbrille hatte er auf
seiner kahlen Platte
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