Mörderisches Musical
Polizei läßt.« Auch in diesem Raum roch es eigenartig. Hier jedoch
nach Zitrone. Es mußte das Reinigungsmittel sein, das sie benutzten. Sie nieste
noch einmal und schneuzte sich die Nase.
Morts Gesicht war ein Muster aus gelben und
dunkelroten Schrammen; sein Atem roch nach saurer Milch. »Ob du dir wohl
überlegen könntest, morgen zurückzufahren?«
»Vor der Premiere? Warum sollte ich? Ich bin
extra zur Premiere hergekommen. Außerdem lassen sie mich vielleicht gar nicht
weg.«
»Was meinst du damit, sie lassen dich vielleicht
nicht weg?«
»Wie bitte? Sam ist ermordet worden — oder hast
du das vergessen?«
»Schatz, deshalb sollst du mir den Gefallen tun.
Zum Nutzen der Show. Carlos — wir alle- brauchen dich, damit du etwas
für uns tust.« Mort streckte die Hand aus, achtete nicht darauf, daß sie
zurückzuckte, und nahm eine Haarlocke. Er drehte sie um seine Finger. »Wir brauchen dich, Leslie.« Er zog alle Register, um sie herumzukriegen. »Und verlaß dich
auf mich«, fuhr er mit heiserer Stimme fort. »Ich kann dich aus Boston
herausbringen.«
»Und wenn ich nein sage, versuchst du dann, mich
zu erwürgen und aus dem Fenster zu werfen?«
Mort schien gekränkt. »Hör auf, Leslie. Ich habe
schlecht auf die Medikamente reagiert. So was kommt vor. Ich versuche nichts
weiter, als diese Show auf die Beine zu stellen. Und alle fallen ständig über
mich her.«
»Darf ich dich zitieren?«
Er packte sie am Arm und schüttelte sie hart.
»Warum verdrehst du immer alles, was ich sage?«
»Laß mich los.« Sie trat ihm mit dem Absatz
kräftig auf die Zehen.
»Au! Verdammte Scheiße!« Er ließ sie los, hüpfte
auf einem Bein herum und hielt sich den Fuß.
Wetzon sah ihm zu, dann hörte sie sich sagen:
»Mein Auftrag wäre was...?« Was sagte sie da?
Mort hielt mitten im Hopsen inne. Sein Gesicht
leuchtete auf. »Du mußt Susan herbringen. Zur Premiere. Wenn du morgen früh
zurückfliegst, kannst du es schaffen. Wir brauchen sie hier.«
»Susan? Susan Orkin? Warum?«
»Um die Wahrheit zu sagen, es tut mir nicht
leid, Sam verloren zu haben — selbstverständlich hätte ich es mir niemals auf
diese Art gewünscht — , aber es ist ein Mordsdusel für die Show. Nelson ist ein
echtes Talent; er kümmert sich um alle neue Musik, die wir brauchen, und Susan
hat sowieso schon über die Hälfte der Verse geschrieben — eben hat sie einfach
aufgelegt.« Er scharrte mit den Füßen und steckte die Hände in die Taschen.
»Sie macht mich für Dilla verantwortlich. Herrgott, ich haben Dilla nicht
umgebracht. Ich hätte es nie getan. Ich brauchte sie. Sieh dir nur die Niete
an, die ich an ihrer Stelle bekommen habe.« Er setzte die Mütze ab und fuhr mit
einem Kamm durch sein schütteres Haar. »Vielleicht tut mir jemand den Gefallen
und befreit mich von Phil.« Er zog ein kleines Mundspray aus der Tasche und
sprühte sich in den Mund. Heureka! Der Geruch nach Zitrone.
»Spielst du die Hauptrolle in Henry Two, Mort? Wenn ja, dann spielst du vor dem falschen Publikum. Sag mal, bist du mit
Dilla in der Nacht, in der sie ermordet wurde, im Theater geblieben — nachdem
alle gegangen waren?«
»Leslie! Wie kannst du mich so etwas fragen?«
Komisch, daß Mort sich langsam wie Smith anhörte. Wetzon seufzte. Sie war im
Begriff, etwas Gemeines zu tun. »Wie kommst du darauf, ich könnte Susan
überreden, mitzufahren?«
»Carlos hat mir gesagt, du wärst mit Susan schon
auf dem College befreundet gewesen.«
Carlos! Dieser Verräter. »Carlos ist schnell von
Begriff.«
»Leslie, versuchst du es? Versuch es wenigstens!«
Krokodilstränen traten Mort in die Augen. »Ich werde dir ewig dankbar sein. Ich
werde in deiner Schuld stehen.«
»Wirklich? Ich würde sie gern auf der Stelle
eintreiben.«
»Was möchtest du?« Mort setzte sofort dieses
Alle-nutzen-mich-aus-Gesicht auf.
»Ich möchte, daß du deine Finger von Smitty
läßt.«
»Was?«
»Du hast mich richtig verstanden, Mort.«
»Wie kannst du es wagen, Urteile über mich zu
fällen? Für wen hältst du dich eigentlich?« Erstreckte die gespreizte Hand nach
ihr aus, als spräche er einen bösen Zauber über sie.
»Ich kenne Smitty von klein auf, und ich weiß,
daß du dem Jungen eine Menge Versprechungen gemacht hast.«
»Jetzt hör mal zu, du selbstgerechtes
Weibsstück, wer bist du, daß du über mich Gericht hältst? Du bist nie
verheiratet gewesen. Ich wette, du hast nie eine richtige Beziehung zu jemandem
gehabt. Du sitzt drüben in der Wall
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