Mörderisches Paradies
irgendwem – jemand, dem man vertrauen konnte? Seine Berührung sandte kleine Stromschläge durch ihre Adern, und wenn sie ihm so nah war wie in diesem Moment, wollte sie ihn anfassen und von ihm angefasst werden.
Aber er war kein alter Schulfreund ihres Bruders, sondern sie hatte ihn unter ausgesprochen merkwürdigen Umständen kennengelernt. Und obwohl er sie kein bisschen unter Druck setzte, fielen ihr im Gespräch mit ihm nicht die richtigen Antworten ein. Jetzt war er ihr so nah, dass sie wusste, wie sehr ihr der Schwung seiner Augenbrauen gefiel und die markanten Gesichtszüge.
“Beth, im Ernst, ich weiß einfach nicht, was Sie wollen …”
“Die Wahrheit”, murmelte sie.
Er ließ sie los und lehnte sich wieder gegen den Baumstamm, den Blick zum Sternenhimmel gerichtet.
“Die Wahrheit?”, fragte er und klang wieder schärfer. “Ich weiß nichts über gar nichts. Ich handele nur nach dem Motto ‘Hüte dich’. Das ist die Wahrheit. Und ich glaube, Sie sollten ebenso vorsichtig sein, das ist alles.”
“Weil Brad und Sandy sich verdächtig benommen haben?”
“Weil Sie glauben, einen Totenschädel gefunden zu haben, und drauf und dran sind, das in alle Welt hinauszuposaunen.”
Jetzt wurde auch ihr Tonfall schärfer. “Da wären wir also wieder – Sie drehen sich schon wieder im Kreis. Ich glaube, einen Schädel gefunden zu haben. Wenn das gar nicht der Fall war, wieso sollte ich mir dann überhaupt Sorgen machen?”
“Das ist eine berechtigte Frage.”
“Wissen Sie eigentlich, dass Sie einen echt auf die Palme bringen können?”, schimpfte Beth.
Sein Lächeln kehrte zurück. “Wissen Sie, welcher Satz darauf normalerweise folgt? Wollen mal sehen. ‘Ich finde Sie ungeheuer attraktiv. Ich glaube, jemanden wie Sie habe ich noch nie getroffen.’ Aber das würde sich für Sie auch nicht nach der Wahrheit anhören, oder? Und wahrscheinlich hat man Ihnen das ohnehin schon tausendmal gesagt.”
Beth schaute zu den Palmwipfeln, die im Nachthimmel sacht hin und her schwangen. Da sie selbst an öffentliche Auftritte gewohnt war, wusste sie, wann man lächelte, wann man seine Rolle spielte und wie man einen bestimmten Eindruck vermittelte – und wann ein anderer dasselbe Schauspiel aufführte.
“Es hört sich ein bisschen an wie Ihr üblicher Satz, wenn Sie das Thema wechseln wollen”, erwiderte sie und sah ihn direkt an – in ein attraktives aufrichtiges Gesicht.
“Ich habe alles gesagt zu dem Thema, das ich Ihrer Meinung nach wechseln wollte”, erklärte er.
Ihr Blick fiel auf Lees Jacht. “Was für ein Boot”, murmelte sie fasziniert.
“In der Tat”, bestätigte er. “Sie hätten mit an Bord kommen sollen. Sie ist eine sehenswerte stolze Lady.”
Sie drehte sich zu ihm. “Sie könnten sie mir morgen Vormittag zeigen.”
Damit überraschte sie ihn offensichtlich.
“Das könnte ich, ja.” Einen Moment sah er sie neugierig an, dann trat ein triumphierender Ausdruck in sein Gesicht. “Aha. Sie wollen sie unter die Lupe nehmen. Nach Leichen suchen oder nach anderen Spuren krimineller Machenschaften.”
Beth wandte den Blick ab. “Überhaupt nicht. Es ist einfach ein tolles Boot, und ich arbeite schließlich in einem Jachtclub.”
“Dann bekommen Sie dort doch sowieso eine Menge toller Boote zu Gesicht.”
“Ich bin immer gern auf dem Laufenden, um in Gesprächen mit den Mitgliedern mithalten zu können.”
Er lachte leise. “Sie können sie gern unter die Lupe nehmen. Kein Problem.”
“Was natürlich bedeutet, dass Sie mögliche verdächtige Dinge gut versteckt haben”, erklärte sie ihm.
“Haben Sie eigentlich Kriminalistik studiert?”, wollte er wissen. “Oder einfach nur ein paar Fernsehkrimis zu viel gesehen? Noch einmal nur für Sie, Miss Anderson: Es macht sich immer besser, sich aus Dingen herauszuhalten, die einen nichts angehen.”
“Also sollte ich mir das Boot lieber nicht ansehen?”
Ein lautes Seufzen war die Antwort. “Sie sind auf dem Boot mehr als willkommen. Ich habe doch schon gesagt, dass wir keine Piraten sind.”
“Soll das heißen, dass Sie keine Piraten, aber Kriminelle anderer Art sind, oder dass manche Leute Piraten sind, Sie und Ihre Freunde aber nicht?”
“Wenn ich Ihnen morgen früh einen guten Morgen wünsche, weil die Sonne scheint, werden Sie meine Worte dann auch so auseinanderpflücken?”, fragte er zurück.
Sie zuckte mit den Schultern. “Ich weiß es nicht.”
Um Beth beim Aufstehen zu helfen, reichte Keith ihr
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