Mörderisches Paradies
vollkommen sicher.
So wie sie sicher war, selbst die Motte zu sein, die in die Flamme flog.
Denn plötzlich brannte eine Sehnsucht in ihr.
Ob sie nun zu Asche verbrannte oder nicht, sie musste in das Feuer fliegen.
Hände weg
.
Mit diesen Worten hatte er die anderen gewarnt. Schließlich hatten sie hier etwas zu erledigen.
Aber da war auch noch das andere. Und das hielt seine Gedanken in Gang – neugierig und entschlossen, alles über seine Mitcamper herauszufinden.
Er rief sich in Erinnerung, dass es kein Wunder war, an einem Wochenende auf Calliope Key Touristen zu begegnen. Aber er durfte sich von seinem Ärger nicht beeinflussen lassen, genauso wenig wie von der geringsten emotionalen Beeinflussung. Er konnte sich nur für Gerechtigkeit einsetzen und das Ganze zu einem Ende bringen.
Beth Anderson bedeutete eine Ablenkung, die er einfach nicht gebrauchen konnte.
Keith fluchte leise.
Dann fuhr er herum, selbst beim kleinsten Geräusch immer in Alarmbereitschaft.
Matt streckte sich und sah ihn aufmerksam an. Ihm schien alles weh zu tun, dabei war er dran, die nächste Wachschicht zu übernehmen.
“Das hat ja eine Weile gedauert”, meinte Matt.
“Ich konnte sie ja schlecht ins Bett zurücktragen”, erklärte Keith.
“Sie hat Klasse, oder?”, sagte Matt und grinste. Dann wurde er wieder ernst. “Aber es ist zu gefährlich. Ich würde ihr nicht … wehtun wollen.”
“Keine Angst”, sagte Keith schnell.
“Falls sie …”
“Wird sie nicht”, unterbrach er.
“Höllengeschichte, die du neulich erzählt hast”, meinte Matt und klang dabei ein bisschen vorwurfsvoll.
“Das ist eine ziemlich bekannte Geschichte.”
“Hast du sie eigentlich absichtlich erzählt?”
Keith zuckte mit den Schultern. “Warum nicht? Als Köder.”
“Ja, vielleicht.” Matt schaute aufs Meer – und die Jacht. “Nichts?”, wollte er wissen.
“Alles ruhig.”
Matt nickte. “Na, was hätten wir auch anderes erwarten sollen.”
“Nichts”, murmelte Keith und sah Matt an. Keiner von ihnen fühlte sich wirklich wohl.
“Na, ich bin jedenfalls wach. Du kannst dich aufs Ohr hauen.”
“O.K.”
“Du wirst nicht schlafen, oder?”, fragte Matt.
“Das werd ich, verlass dich drauf.”
“Keine Bange. Ich weiß, dass es kein Mangel an Vertrauen ist, sondern angeboren.”
“Glaub mir, ich werde schlafen.”
“Gut so. Schließlich hast du morgen früh ein Date, oder?”
“Was?”
“Du musst Beth Anderson die Jacht zeigen.”
“Ach so, stimmt.”
Klasse. Wirklich klasse. Sein gesamtes Gespräch war belauscht worden.
“Alles wird gut. Morgen ist endlich Sonntag. Die arbeitende Bevölkerung kehrt wieder an die Schreibtische zurück”, sagte Matt. “Und wir haben die Insel ganz für uns allein.”
Woraufhin Keith ein unverständliches “nicht ganz” murmelte.
“Ich mache dir übrigens keine Vorwürfe”, fuhr Matt fort.
“Vorwürfe weswegen?”, fragte Keith.
“Wenn Beth Anderson mich auch nur halb so interessiert angesehen hätte, dann … Dann hätte ich auch alle Vorsätze vergessen.”
“Ich habe nichts vergessen”, erwiderte Keith.
Damit ließ er Matt stehen und ging zu seinem Zelt.
Obwohl Matt durchaus recht hatte.
Keith lag wach. Und lauschte.
Kein Bild hatte sich ihm je so tief in sein Gedächtnis eingebrannt wie das im Leichenschauhaus, als er in das Gesicht von Brandon Emery gesehen hatte. Er war noch so jung gewesen. Vierundzwanzig und so gut bei allem, was er tat. Einer der besten unter den Neuen.
Zu gut, verdammt. Er hätte nicht allein da sein dürfen. Vor allem nicht, weil er etwas gesehen hatte – gewusst hatte. Dass er etwas gewusst hatte, stand fest. Wort für Wort erinnerte sich Keith an die letzte E-Mail, die er von Brandon bekommen hatte.
Ich glaube, ich hab’s. Und glaub mir, du wirst es nicht für möglich halten. Ich muss noch etwas überprüfen und erzähle es dir nächstes Mal
.
Aber es hatte kein nächstes Mal gegeben.
Nicht für Brandon.
Bis zu dem Anruf, als er die Leiche identifizieren sollte, hatte Keith nichts mehr von ihm gehört. Was anfangs wie eine ganz einfache und banale Geschichte ausgesehen hatte, geriet zu einem tödlichen Spiel. Und den Anblick von Brandon Emery im Leichenschauhaus würde Keith für den Rest seines Lebens nicht mehr vergessen.
Sein Körper war in der Nähe von Islamorada aufgetaucht. Ein paar Meilen weiter nördlich fand man sein Boot führerlos treiben. Dabei war er nicht einmal in der Nähe von Islamorada
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