Mörderisches Paradies
überlief es sie eiskalt. Und doch – trotz seines merkwürdigen Verhaltens fühlte sie sich weiterhin zu ihm hingezogen. Sie sollte vorsichtiger sein, spürte aber eine beruhigende Stärke in ihm. War sie jetzt völlig verrückt? Lag es daran, dass sie gar nicht mehr wusste, wann sie zum letzten Mal jemand so interessiert und angezogen hatte? Außerdem: Wenn er ihr etwas tun wollte, hätte er längst die Gelegenheit dazu gehabt, und die hatte er nicht genutzt. Stattdessen hatte er sie beschützt.
Sie beschloss, weder Ben noch sonst jemandem etwas über diesen Schädel oder ihr ungutes Gefühl zu sagen. Aber wenn sie erst einmal wieder zu Hause war, wollte sie mehr über die Monocos in Erfahrung bringen.
Vielleicht verebbte dieser Drang, der sie momentan beherrschte, aber auch, sobald sie wieder in ihren gewohnten Alltag zurückgekehrt war. Natürlich würde sie dort Amanda und Hank wiederbegegnen, genau wie Roger und Gerald. Aber Sandy und Brad würde sie sicher nicht mehr über den Weg laufen oder dem reichen Privatier Lee und seinem Kumpel Matt – oder Keith Henson.
An diesem Abend gingen alle spät auseinander. Beth versuchte sich zu entspannen, als sie zu ihrem Platz zurückgingen, doch als sie in ihrem Zelt lag, merkte sie, wie angespannt sie immer noch war.
Wenn Keith nicht wusste, was Brad und Sandy im Schilde führten, wieso hatte er seine Deckung dann nicht verlassen?
Beth wurde heiß, als sie daran dachte, wie sie für eine kleine Ewigkeit ganz eng beieinander gestanden hatten.
Lange lag sie wach und lauschte in die Nacht.
Und dann, als sie endlich kurz vorm Einschlafen war, hörte sie etwas. Ein Rascheln. Der Wind in den Bäumen? Sie spitzte die Ohren.
Was für ein tolles Wochenende! Sie sollte entspannt am Strand liegen und Sonne tanken. Stattdessen war sie mit ihren Nerven am Ende und noch erschöpfter als beim Aufbruch zu ihrem Segelausflug.
Aber nachts bildete man sich alle möglichen Geräusche ein und hatte irreale Ängst.
Schließlich seufzte Beth und kletterte aus ihrem Schlafsack. Vorsichtig steckte sie ihren Kopf aus der Zeltöffnung. Nichts zu sehen. Alles ruhig.
Um sich zu strecken, kroch sie ganz aus dem Zelt, und dann erstarrte sie plötzlich.
Da war noch jemand.
Das, was sie für einen Schatten gehalten hatte, war in Wirklichkeit ein Mann, der an einem Baumstamm lehnte.
Der Schreck jagte ihr einen eisigen Schauer über ihren Rücken. Regungslos stand sie da und starrte angestrengt in die Dunkelheit.
Der Schatten hob eine Hand und sagte: “Hi.”
“Hi”, antwortete sie automatisch.
Keith.
Barfuß und in ihrem Oversize-T-Shirt lief sie über den Strand zu ihm. Wegen des Vollmonds war die Nacht nicht besonders dunkel, aber dafür wunderschön. Neben dem Mond standen unzählige Sterne am Himmel. Eine milde Brise ging, und die Luft war angenehm trocken.
“Genießen Sie den Sternenhimmel?”, fragte sie.
“Ist schön, oder?”, fragte er zurück, setzte sich und klopfte mit seiner Hand auf den Sand neben sich. “Wollen Sie sich nicht setzen?”
Sie zögerte, bevor sie Platz nahm. “Was machen Sie denn hier?”, fragte sie.
“Den Sternenhimmel genießen, wie Sie gesagt haben.”
“Es ist mitten in der Nacht.”
“Ich brauche nicht viel Schlaf.”
“Das kann ich mir denken”, murmelte sie.
Er lächelte, und sein schönes Gesicht sah plötzlich überrascht aus. “War das zweideutig gemeint?”, wollte er wissen.
Beth schüttelte den Kopf und sah zur Seite.
“Sie haben kein Vertrauen zu mir.”
“Nein, das stimmt.”
Er lachte. “Apropos – was ist eigentlich aus den Freunden Ihres Bruders geworden?”
“Verzeihung?”
“Die Leute, die noch zu Ihnen stoßen sollten. Sie wissen schon, diese bärigen Kerle, die ihre Bierflasche mit den Zähnen aufmachen.”
Weil Beth zuerst keinen blassen Schimmer hatte, wovon er eigentlich sprach, sah sie ihn einen Moment stirnrunzelnd an. Dann fiel ihr wieder ein, was sie ihm bei ihrer ersten Begegnung erzählt hatte.
“Ich glaube sie sind … verhindert. Sie kommen nicht mehr.”
“Das sollten sie auch nie.”
“Okay, ich traue Ihnen nicht besonders und habe Ihnen überhaupt kein bisschen getraut, als wir uns zum ersten Mal gesehen haben.”
Er sah sie direkt an und sprach mit sanfter Stimme. “Nun, jedenfalls sind wir keine blutrünstigen Piraten, falls Sie das befürchtet haben.”
“Ich habe Sie auch nicht für Piraten gehalten. Piraten gehören in Gruselgeschichten.”
Aber er schüttelte den Kopf
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