Mörderspiel
hing sein Mantel noch am Kleiderständer. Verblüfft erkannte sie, dass er weiter hinabgestiegen sein musste in den Keller.
Jon eilte hinunter an den Ort, wo er Reggie gefunden hatte. Im Bemühen, sie am Leben zu halten, hatte er etwas Wichtiges ignoriert, das direkt vor seinen Augen gewesen war.
Etwas, das ihm erst wieder einfiel, als er sie auf ihr Bett gelegt hatte.
Die Kerosinlampe stand noch dort, wo er sie zurückgelassen hatte, als er neben Reggie niederkniete. Sie warf ihr Licht auf den Boden.
Reggies Hand hatte auf einem kleinen Haufen Staub und Stroh gelegen, der von der dargestellten Szene herabgefallen war.
Jon suchte nach dem, was ihm aufgefallen war, und fand es. Ja, sie hatte versucht, etwas in den Staub zu schreiben. Es war schwer zu lesen – genauso gut hätten es Abdrücke von Handzuckungen sein können. Aber nein. Das waren eindeutig Buchstaben. R… I… P… P… C – nein E. RIPPE… R. Ripper.
Jon setzte sich auf seine Hacken und blickte zu der Szene mit Jack the Ripper hinüber.
Dann stand er auf und wusste plötzlich, was ihm in letzter Zeit diese unangenehmen Gefühle hier unten beschert hatte. Es roch nach…
Als sei ein Tier hier drin gefangen worden und verendet. Es war kalt hier unten, sehr kalt sogar, und dennoch…
Grundgütiger Himmel!
Er ging auf die Szene zu. Da war Jack the Ripper in seinem stereotypen Cape und dem schwarzen Hut. Und vor ihm lag sein Opfer, Mary Kelly.
Nein, nicht Mary Kelly.
Susan!
Tot und verwesend, in die Kleidung der Wachsfigur gehüllt. Die durchschnittene Kehle des Opfers war nicht mit Farbe, sondern mit echtem Blut besudelt.
Ihre Augen standen offen und starrten ins Leere.
Es gab keinen Zweifel an ihrem Zustand. Keine Hoffnung, keine Chance.
Susan war tot.
„Allmächtiger!“ stieß er hervor, und der Gestank und das Entsetzen trafen ihn mit voller Wucht. Er beugte sich vornüber, um sich nicht übergeben zu müssen. Und während er so dastand, wurde ihm klar, dass er einen Killer beherbergte, der weit gefährlicher und psychotischer war, als er es sich vorgestellt hatte.
Jetzt gab es für ihn keinen Zweifel mehr, dass auch Cassie damals umgebracht worden war. Und dass Susan etwas gewusst hatte…
Das hatte sie das Leben gekostet.
„Närrin!“ schimpfte Jon mit der Leiche und presste die Kiefer zusammen. „Susan, warum hast du uns nicht die Wahrheit gesagt? Warum hast du Spielchen getrieben?“ Er war böse auf sie, und er war entsetzt. Sie hatte sich auf Machtspiele eingelassen und es mit dem Leben bezahlt.
„Jon?“
Er hörte jemand seinen Namen rufen. Sabrina! O Gott!
„Sabrina, nein!“ schrie er sie über die Schulter an.
Doch sie war schon da und eilte auf ihn zu.
Und starrte in Susans leblose Augen, auf das getrocknete Blut an ihrer Kehle und auf das Entsetzen…
Und dann sah sie ihn an, und in ihrem Blick lag die blanke Panik.
20. KAPITEL
„O mein Gott!“ schrie Sabrina auf. Sie wich zurück und nahm plötzlich den Geruch von Blut und Tod wahr. Sie öffnete den Mund, um erneut zu schreien.
„Nein. Nein!“ befahl Jon und hielt ihr die Hand auf den Mund. Hart, fast erstickend.
Herr des Himmels! Was bin ich für eine Närrin gewesen! Jon
ist
der Mörder.
„Verdammt!“ flüsterte er ihr wütend zu. „Sei nicht albern. Ich habe das nicht getan. Ich habe sie nur entdeckt. Reggie muss hier unten einen Herzanfall erlitten haben, als sie über die Wahrheit gestolpert ist. Sie hinterließ uns einen Hinweis. Sie hat R-I-P-P-E-R in den Staub geschrieben. Ich muss sie in ein Krankenhaus schaffen. Ich muss Hilfe herbringen und den Rest von uns hier herausholen. Reggie kennt den Killer. Sie weiß, wer er ist, verstehst du?“
Während er sprach, sah Sabrina immer nur Susan vor sich. Sie sah die blutige Kehle und fragte sich, wie ihnen das hatte entgehen können. Warum hatten sie übersehen, dass der bösartige Schnitt und das Blut echt waren? Warum war es ihnen nicht früher aufgefallen?
Weil die Wachsfiguren so gut waren, so lebensecht. Man musste direkt über der Leiche stehen und den Blutgeruch wahrnehmen, um es zu bemerken. Oberflächlich betrachtet hatte sich hier unten nichts verändert, absolut nichts… außer dass aus Wachs Fleisch geworden war und aus Farbe Blut.
Jon hatte es nicht getan, behauptete er jedenfalls. Falls er aber log, hatte er jetzt die einmalige Gelegenheit, sie umzubringen…
Er nahm zögernd die Hand von ihrem Mund. „Ich muss los.“
„Was sollen wir tun? Es den anderen
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