Mörderspiel
Jon, und wenn es nun gar nichts zu lösen gibt?“ wandte Camy ein. „Was, wenn Cassies Tod wirklich nur ein tragischer Unfall war?“
„Nun, falls wir das entdecken – und das wird hoffentlich so sein –, haben wir den Fall ja gelöst.“
„Also, wenn wir das Dreckschleudern und Beichten jetzt hinter uns haben, plädiere ich für Kartenspielen in der Bibliothek“, schlug Reggie hoffnungsvoll vor.
„Bridge?“ fragte Tom.
„Poker, mein lieber Junge. Poker!“ konterte Reggie.
Joe lachte. „Ich bin dabei.“
„Ich auch“, stimmte Thayer zu.
Alle erhoben sich. Anna Lee verließ rasch den Raum, ohne die anderen weiter zu beachten. Reggie, Joe und Thayer gingen Richtung Bibliothek. Sabrina wollte zu Jon gehen, sah jedoch, dass Camy mit ihm sprach, offensichtlich aufgeregt. Brett blieb in der Nähe, als wolle auch er unbedingt einige Worte mit ihrem Gastgeber wechseln.
Sabrina wollte die Halle verlassen, doch Tom Heart versperrte ihr den Weg, die verletzte Hand mit einer Serviette umschlungen. „Karten?“ fragte er.
Sie verneinte etwas verunsichert. „Nein, danke, Tom. Ich habe nicht viel Schlaf abgekriegt. Ich gehe hinauf und lege mich noch einen Moment aufs Ohr. Vielleicht geselle ich mich später dazu, falls Sie nachher noch am Spielen sind.“
„Wie Sie wollen.“
Sie schlüpfte an ihm vorbei. Anna Lee war bereits oben irgendwo verschwunden. Sabrina eilte ihr nach die Treppe hinauf. Kurz vor ihrem Zimmer hielt sie jedoch inne und ging den Flur hinunter zu V.J.s Tür.
„V.J.?“ fragte sie leise. Keine Antwort. Sie klopfte vorsichtig an. „V.J.?“
Immer noch keine Antwort, und sie klopfte lauter. „Verdammt, V.J., du machst mich nervös!“
Da weiterhin alles still blieb, legte sie die Hand zögernd auf den Türknauf und drehte langsam.
Der Knauf gab nach, V.J.s Tür war nicht verschlossen. Vorsichtig schob Sabrina sie einen Spalt auf. „V.J.?“
Und dann sah sie sie.
V.J. lag in einem schlichten, eleganten Kleid, das ihrem Stil entsprechend weder Rüschen noch Verzierungen hatte, ausgestreckt auf dem Bett. Ihr Kopf ruhte auf dem Kissen. Die Hände hatte sie auf der Brust gefaltet. Sie lag da wie eine aufgebahrte Leiche im Sarg. Eine dünne rote Linie zog sich um ihren Hals.
„V.J.!“ schrie Sabrina und eilte auf ihre Freundin zu.
16. KAPITEL
J on begann sich allmählich zu fragen, was für eine Dose mit Ungeziefer er geöffnet hatte.
„Ich verstehe das alles nicht, Jon. Wenn ich die Sache besser gemanagt hätte…“, begann Camy.
„Camy, jeder hätte diese falschen Mitteilungen schreiben können…“
Joshua tauchte mit ernstem, besorgtem Gesicht hinter ihr auf. „Camy, vielleicht sollte ich dir helfen und alles im Auge behalten…“
„Joshua, du bist Künstler und Jons Freund. Ich bin die, die für Jon arbeitet und verantwortlich ist.“
„Camy, Josh, ihr habt beide großartige Arbeit für mich geleistet. Ihr hättet nicht mehr tun können. Bitte…“
„Jon, wir müssen reden – ernsthaft miteinander reden“, platzte Brett in ihre Besprechung und drängte sich an den beiden vorbei.
Jon hob in einer Geste der Resignation beide Hände. „Camy, Sie haben nichts falsch gemacht. Machen Sie sich bitte keine Vorwürfe. Das Spiel war toll und klug ausgedacht, und Sie und Joshua haben es wunderbar auf den Weg gebracht. Aber nach dem Schneesturm, dem Stromausfall und allem, was sonst noch geschehen ist, können wir es vielleicht nicht zu Ende führen.“
„Jon, ich muss mit dir sprechen!“ beharrte Brett.
Jon wandte sich ihm zu. „Brett, ich bin nicht wütend. Ehrlich. Ich verstehe, was du getan hast und warum du es getan hast. Es ist in Ordnung.“
„Verdammt, Jon, das ist es nicht! Man hintergeht Freunde nicht.“
„Nun, genau genommen hast du nicht mich hintergangen.“
„O Gott.“
„Tut mir Leid. Ich konnte dem Seitenhieb nicht widerstehen. Aber es ist mir vollkommen ernst. Es war nicht mehr wichtig.“
„Sie war immer noch deine Frau.“
„Brett, es ist vorbei. Ich fühle nichts, keinen Zorn, keinen Schmerz, nichts. Belass es dabei, dass wir uns alle damals sehr viel Schmerz zugefügt haben. Und versuch einzusehen, dass die Angelegenheit für mich erledigt ist, ich habe es ja schon gesagt. Und jetzt geh mir bitte aus dem Weg, denn ich muss dringend an die frische Luft.“
„An die frische Luft?“ protestierte Camy. „Aber die Kälte und der Schnee…“
„Werden mir nicht schaden“, fiel Jon ihr ins Wort. „Im Gegenteil, beides wird mir
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