Möwenfluch (Vloek op Meeuwen) (Möwennest) (German Edition)
befestigt. Es war irgend so ein Teil, das man in jedem Fahrradgeschäft für ein paar Gulden kaufen konnte. Und er hatte ihr, um ihr Gewissen endgültig zu beruhigen, versprochen, nach einer besseren, endgültigen Lösung zu suchen. Letzten Endes hatte er sie angelogen und die Truhe mit massenhaft Beton für das Fundament seines Hauptstützpfeilers zugegossen, aber davon erfuhr sie nichts. Ein schlechtes Gewissen hatte Ari deswegen nicht, schließlich hatte er mit grundsolidem Festbeton diesen Spuk für die nächsten paar Jahrhunderte vom Anblick der Welt getilgt. Fakt an diesem Abend blieb, dass sie nicht gekommen war und er wusste nicht einmal genau, wieso ihn ihr Fernbleiben so bedrückte. Klar, er mochte sie. Das wusste er seit ihrer ersten Begegnung im Herbst des vergangenen Jahres. Sie war eine starke, kluge Frau Ende dreißig, Anfang vierzig, die von einer ganz besonderen Aura umhüllt war. Sie war auch - auf ihre Weise - und trotz der geringen Körpergröße zweifelsohne attraktiv. Nur irgendwie sprach Inga Heemstedde nicht ausschließlich seine sexuellen Triebe an (vor denen er - mit jugendlichen achtundzwanzig Jahren - noch reichlich strotzte). Es war vielmehr so, dass diese Frau etwas ausstrahlte, das er gerne um sich hatte, ohne zu wissen, was das genau war. Jetzt jedenfalls fehlte es und das schlug ihm gewaltig auf die festliche Stimmung dieses besonderen Abends. So ertrug er in einem Gefühl von Einsamkeit die Glückwünsche und Lobhudeleien der anwesenden Gäste und war froh, als am späten Abend die Letzten von ihnen volltrunken über den nagelneuen Steg in Richtung Festland aufbrachen.
Eine ganze Weile saß er danach mit einer Flasche Weißwein allein auf der nach neuem Holz und frisch aufgetragenem Lack riechenden Terrasse und schaute in die Nacht.
Die Wellen unterhalb der Plattform, auf der die Verwirklichung seines Traumes stand, rauschten über die Sandbank. Es war Flut. Der Mond stand blass am Himmel. Ari konnte unzählige Sterne am Firmament erkennen.
Es hatte sich zweifelsohne gelohnt in einer Gegend zu bauen, die nicht durch intensiv beleuchtete Straßenzüge und in der Dunkelheit wie Discokugeln funkelnde Innenstädte um die Pracht eine solchen Nachthimmels gebracht wurde. Es war ganz einfach schön hier, friedlich und gleichzeitig mitten in der wilden Natur, den Launen des Meeres ausgesetzt. Ari atmete eine Brise würzige Meeresluft. Und in diesem Augenblick wurde ihm wieder einmal klar, dass Het Meeuwennest das perfekte Restaurant war und er es sein Eigen nennen durfte. Sobald der Laden lief, würde er Petr Stojic aus den Besitzurkunden herauskaufen. Er leerte die Flasche Wein, stand auf und schlenderte durch sein neues Reich.
Mitternacht war lange vorbei und er hatte sich gerade eine zweite Flasche Wein aus dem Weinregal geangelt, um die letzte Enttäuschung über Ingas Abwesenheit zu ertränken. Seine Wahl war auf einen alten Patron du St. Marie gefallen. Ein herausragender Tropfen, gekeltert in einem alten Kloster in Südfrankreich, das er vor einigen Jahren auf der Durchreise entdeckt hatte. Eigentlich war er viel zu schade, um ihn einfach hinunterzukippen, aber dieser Einwand rief bei Ari nur ein Schulterzucken hervor. Er entkorkte die Flasche, füllte sein Glas bis zur Hälfte auf und ließ sich auf einen Stuhl sinken.
Er saß noch nicht lange und trank gerade sein zweites Glas, als ein seltsames Geräusch an seine Ohren drang. Zuerst hatte er nur das Wellenrauschen gehört, dazwischen das vereinzelte Krächzen einiger durch die Nacht kreisender Möwen, doch dann hatte sich etwas anderes darunter gemischt. Ari stellte das Glas ab, beugte sich ein Stück zur Seite und legte den Kopf schräg. Er horchte. Es klang nach dem Wimmern eines Tieres, vielleicht einer Katze oder eines Hundes. Obwohl er sich beim besten Willen nicht erklären konnte, woher ein solches Tier kommen sollte, bildete er sich das Geräusch nicht ein, denn es verschwand nicht wieder. Unsicher, was er unternehmen sollte, harrte Ari auf seinem Stuhl aus und entschied schnell, dass er es sich nicht nehmen lassen würde, zumindest das Glas noch zu leeren, bevor er sich um den ungebetenen Gast kümmerte.
„Auf dich, Inga“, prostete er der Nacht zu und trank. Das leere Glas warf er angesäuert über das Geländer, stand auf und ging zur Restauranttür. Er steckte den Kopf nach drinnen und lauschte. Völlige Stille.
Von drinnen kam das Wimmern also nicht, zum Glück . Damit das so blieb, zog er die Tür zu und ging
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