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Möwenfluch (Vloek op Meeuwen) (Möwennest) (German Edition)

Möwenfluch (Vloek op Meeuwen) (Möwennest) (German Edition)

Titel: Möwenfluch (Vloek op Meeuwen) (Möwennest) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Biesenbach
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müssen.
    Die Flasche hatte dem Dickkopf Aris nicht standgehalten, aber dafür eine schon jetzt deutlich hervortretende Schwellung an der Schläfe verursacht. Der Schlag hatte gesessen, war aber nicht so stark gewesen, dass er Ari umgebracht hätte. Sie konnte erkennen, dass er noch atmete. Ein paar Sekunden schaute sie ihn an und entschloss sich dann dazu, etwas zum Kühlen aus der Gefriertruhe zu holen. Der Kopf würde ihm ohnehin genug brummen.
    Sie kehrte mit einem Beutel Tiefkühlerbsen zurück, beugte sich hinunter und drückte ihm die improvisierte Kaltkompresse sanft an die Stirn. Ari zuckte merklich zurück.
    „Das is ‘ kalt, Inga, zu kalt“, flüsterte er und öffnete die Augen. Inga nahm den Beutel weg.
    „Willkommen zurück in der Welt der Lebenden“, sagte sie tonlos. „Ich hoffe, du hast eine gute Erklärung hierfür.“
    Ari schüttelte nur den Kopf.
    „Nein, ich kehre nie wieder zurück. Ich habe versagt. Es tut mir so leid, Inga. Hab’s nicht verdient zu leben. Ich habe dich belogen, Inga. Habe uns alle verraten. Ich war nicht ehrlich zu dir, habe dir nicht alles erzählt.“
    Inga konnte damit nichts anfangen. Die Sätze sprudelten aus Aris Mund und überschlugen sich dabei. Er wirkte verwirrt, beinahe wahnsinnig. Sein Körper zitterte. Inga hatte ihn immer für verrückt und exzentrisch gehalten, aber in einem solchen Zustand hatte sie ihn nie erlebt.
    „Was meinst du damit, Ari? Und wieso hast du Harry angegriffen?“, fragte sie streng.
    Sklaaten gab ihr keine Antwort, murmelte nur etwas Unverständliches. Mit viel Mühe setzte er sich auf, dann ließ er ein leises Wimmern und Schluchzen vernehmen, fuhr sich mit einer Hand durchs Gesicht und strich sich die langen, strähnigen Haare aus dem Blickfeld.
    Inga streichelte ihm mit einer Hand über den Rücken und legte ihm mit der anderen den Erbsenbeutel erneut an die Schläfe. Diesmal ließ er es über sich ergehen und wich nicht mehr zurück. Stattdessen starrte er in den Flur und wich ihrem fragendem Blick damit aus, aber Inga ließ nicht locker.
    „Also? Was ist los mit dir, Ari?“, fragte sie mit einer freundlichen Strenge in der Stimme.
    Er brauchte einen Augenblick um etwas zu erwidern, scheinbar fehlten ihm die Worte, aber dann sagte er: „Ich hab’s so lange mit mir rumgetragen, Inga. Ich kann nicht mehr. Ich habe versagt, habe alles kaputtgemacht, weil ich dumm war. Damals schon habe ich alles zerstört. Damals als ich die Möglichkeit hatte, alles zu beenden.“
    Inga stutzte. Erneut erwähnte er mit keinem Wort einen Grund für sein plötzliches Erscheinen und seinen Angriff auf den dicken Touristenführer. Er beantwortete ihr die Fragen einfach nicht, war offenbar völlig durch den Wind. Inga erkannte dadurch, dass es keinen Sinn machte, ihn in diesem Zustand mit weiteren Fragen zu löchern. Das Wichtigste jetzt war, dafür zu sorgen, dass er sich beruhigte und wieder fähig war, klare Gedanken zu fassen. So aufgekratzt - wie in diesen Sekunden - war er keine Hilfe.
    „Beruhig‘ dich, Ari“, redete Inga auf ihn ein. Die Strenge war komplett aus ihrer Stimme gewichen und an ihre Stelle war ein schmeichelnder Unterton getreten.
    „Du hast nichts kaputt gemacht. Ich bin sicher, du hast dein Bestes getan. Und außerdem …“
    Ari warf den Kopf im Protest heftig hin und her.
    „Nein, nein, nein. Ich habe es damals vermasselt …“, beharrte er mit weinerlicher Stimme, wischte sich mit dem Handrücken den Rotz aus dem Gesicht und dann begann er, Inga von jenen Dingen zu erzählen, die er jahrelang für sich behalten hatte.

Kapitel 6
     
    Frühling 1980
    Inga Heemstedde war nicht zur großen Eröffnung von Het Meeuwennest erschienen. Auch jeder andere Bewohner Westenschouwens hatte Aris Einladung ausgeschlagen. So waren nur geladene Gäste aus der Rotterdamer Oberschicht, ein paar befreundete Köche, Geschäftspartner, darunter auch der Geldgeber für das Projekt Het Meeuwennest , Petr Stojic (ein dubioser, aber dafür sehr liquider Geschäftsmann aus Rotterdam) und ein paar Presseleute anwesend.
    Ari Sklaaten war wegen Ingas Fernbleiben maßlos enttäuscht. Er hatte alles getan, um wenigstens ihr zu beweisen, dass er die verrückte Geschichte um den Hokuspokus mit dieser bescheuerten alten Truhe ernst nahm. Er hatte sogar alle weiteren Versuche eingestellt, dieses nutzlos zusammengezimmerte Stück aus Holz und Eisen aufzubrechen oder abzutransportieren. Stattdessen hatte er zusätzlich ein neues Bügelschloss daran

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