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Möwenfluch (Vloek op Meeuwen) (Möwennest) (German Edition)

Möwenfluch (Vloek op Meeuwen) (Möwennest) (German Edition)

Titel: Möwenfluch (Vloek op Meeuwen) (Möwennest) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Biesenbach
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fragte eine verängstigte Kinderstimme. „Ich will hier weg. Befreist du mich, bitte?“
    „Ja, aber du bist doch gar nicht gefangen. Ich bring dich an Land, wenn du willst. Ich habe da ein …“
    „Bring mich hier weg“, flehte das Kind und fing wieder an zu weinen.
    Es ist verängstigt und verwirrt , dachte Ari.
    „Ist gut, ist doch gut. Du musst nicht weinen. Ich bringe dich ja hier weg.“
    „Wirklich?“, schluchzte das Mädchen, es rappelte sich auf und stand jetzt vor Ari, wagte jedoch nicht aus der Schwärze der Ecke herauszutreten.
    „Ich will zu meiner Mama, will nach Hause.“
    „Wenn du mir sagst, wo deine Mama wohnt, bringe ich dich hin. Komm nur her, du brauchst dich vor mir nicht fürchten“, er reckte die Arme nach vorn.
    „Oh bitte, bitte bring mich schnell nach Haus‘.“ Es schien endlich erkannt zu haben, dass Ari ihm nichts Böses wollte, streckte ihm ebenfalls die Arme entgegen, stolperte ungelenk aus der Ecke und kam auf Ari zu.
    Der Schock fuhr Sklaaten durch Mark und Bein.
    „Deine … deine Arme … deine … deine Hände“, stammelte Ari, während er spürte, wie das Blut aus seinem Gesicht wich und sein Herzschlag für Sekunden aussetzte. Er wollte am liebsten wegschauen und konnte seine Blicke doch nicht losreißen. Es war grausam.
    Dort, wo die Finger des Mädchens hätten sein sollen, befand sich nur gähnendes Nichts. Von den Stümpfen ihrer Arme tropfte dunkle Flüssigkeit.
    Oh Gott ...
    Ari stolperte unkontrolliert zurück. Er wollte schreien bekam aber keinen Laut heraus.
    „Rette mich“, flehte das Kind und trat noch weiter ins blasse Mondlicht. Jetzt konnte Ari auch ihr Gesicht sehen. Es war zerfurcht, verfault, mit tiefen Schnitten schrecklich entstellt. Im Hals des Mädchens klaffte ein Loch, eine kleine Goldkette glänzte in der tiefen Wunde. Ari wurde schlecht. Er erkannte die Kette. Auf einem der Polizeibilder hatte er sie gesehen. Vor ihm stand Carla, Ingas alte Schulfreundin oder viel mehr das, was von ihr übrig geblieben war.
    Ari sprang zurück. In seinem gesamten bisherigen Leben hatte er nicht gewusst, was es hieß Angst zu haben, dieses Versäumnis holte er nun schneller auf als ihm lieb war. Hätte er seine Stimme wiedergefunden, hätte er vermutlich geschrien und vielleicht tat er das in diesem Moment auch, bekam es der Panik wegen aber gar nicht mehr mit. In seinem Kopf gab es nur noch einen klaren Gedanken. Er wollte einfach nur noch weg von hier, fort von diesem Ding.
    Lauf ! Lauf so schnell du kannst!
    Noch ehe er weiter flüchten konnte, veränderten sich die Augen des Mädchens plötzlich. Der unschuldige, flehende Blick verschwand und wurde zu einem wahnsinnigen Starren. Die Augen quollen auf, nahmen eine tiefrote Farbe an. Tränen aus Blut rannen die verfaulten Gesichtszüge hinab. Es kreischte, riss die fingerlosen Arme nach vorn und sprang auf Ari zu. Ihre Stimme war nun nicht länger die eines unschuldigen verängstigten Mädchens, sie hatte sich in ein fürchterliches Krächzen gewandelt.
    „Befreie mich!“, schrie sie. „Befreie mich!“
    Ari konnte nicht atmen. Sein Puls raste. Er stolperte rückwärts, übersah den Tisch in seinem Rücken und fiel darüber. Er verlor die Kreatur aus den Augen, schlug hart auf den Planken auf, spürte die Schmerzen kaum, robbte panisch fort. Ein paar Meter weiter rappelte er sich wieder auf, kam auf die Füße und stolperte über einen quer liegenden Stuhl. Geradeso hielt er das Gleichgewicht, wankte davon, aber nicht schnell genug. Etwas sprang ihn von hinten an.
    Jetzt ist es aus , schoss es durch seinen Kopf.
    Ein stechender Schmerz zuckte durch seinen Nacken. Einmal, zweimal, dreimal stieß etwas auf Schulterhöhe zu und versuchte ihn umzubringen. Ari spürte die Klinge in seine Haut fahren. In Panik langte er mit beiden Händen nach hinten, bekam etwas zu fassen und riss es, noch während er weiter mehr stolperte als floh, nach vorn.
    Als er endlich wieder im beleuchteten Bereich der Terrasse angelangt war, sah er, was er dort zwischen den Fingern hielt. Es war ein hässlicher alter schwarzer Vogel, eine Möwe. Sie zappelte wild und hackte mit dem spitzen Schnabel, krächzte und flatterte. Ari dachte gar nicht erst daran, das Biest loszulassen. Eher zufällig hatte er das Tier perfekt zu fassen bekommen, sodass es sich nicht mehr aus Aris Umklammerung befreien konnte, um mit seinem rasiermesserscharfen Schnabel weiteres Unheil anzurichten. Er kam auch gar nicht auf die Idee, stehen zu bleiben.

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