Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Möwenfluch (Vloek op Meeuwen) (Möwennest) (German Edition)

Möwenfluch (Vloek op Meeuwen) (Möwennest) (German Edition)

Titel: Möwenfluch (Vloek op Meeuwen) (Möwennest) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Biesenbach
Vom Netzwerk:
dann zur äußersten Ecke der Terrasse. Das Geräusch war hier nur schwach zu hören und wurde vom Wellenrauschen beinahe gänzlich verschluckt. Deshalb machte er ein paar Schritte in die entgegengesetzte Richtung und lief schließlich an der nördlichen Längsseite des Restaurants vorbei in Richtung Osten, dabei ließ er seine Finger über das weiß lackierte Geländer gleiten.  
    Er hatte in diesem Teil bereits vor dem Abschied der letzten Gäste das Licht abgeschaltet. Ohnehin hatte er sich gesträubt, diesen Bereich bei der Eröffnungsfeier einzuweihen. Mit dieser Seite hatte er noch etwas Besonderes vor. Sie bot einen wunderschönen Blick aufs Meer und die nah liegende Küste. Aber sie war gewissermaßen noch nicht fertig und leider fehlte ihm bislang die passende Idee.
    Das Wimmern war hier deutlich lauter, und als er die Mitte des ausladenden Balkons erreichte, hatte er das Gefühl, dessen Ausgangspunkt schon sehr nah gekommen zu sein.
    Ari ging noch einige Schritte durch die Dunkelheit, dann blieb er abrupt stehen. Ein plötzliches Unbehagen beschlich ihn, denn das undefinierbare Geräusch war jetzt sehr deutlich und Ari erkannte, dass es weder das Winseln eines Hundes noch das Jammern einer verirrten Katze war. Er hörte das Weinen eines kleinen Kindes. Als ihm das endgültig klar wurde, sträubten sich seine Nackenhaare, denn dieses Geräusch konnte und durfte unter normalen Umständen eigentlich gar nicht hier sein. Auf der Feier am Abend waren keine Kinder zugegen gewesen.
    „Hallo?“ fragte Ari in die Finsternis, aber das Weinen ließ nicht nach. Der Restaurantbesitzer schluckte, er hatte ein schlechtes Gefühl bei dieser Sache. Ganz langsam setzte er einen Fuß vor den anderen. Die neuen Planken waren fest und gaben ihm wenigstens annähernd ein Gefühl von Sicherheit.
    Am Ende der Nordseite des Restaurants, an der Ecke zur Ostseite, der Seite, die direkt auf den Steg und Festland zeigte, befand sich ein kleiner Erker. Er stellte einen Leuchtturm im Miniaturformat dar. Oben im Dach befand sich sogar eine kleine Lampe, die sich per Knopfdruck elektrisch kreisen ließ. In diesem Augenblick war die Lampe im Türmchen - genau wie alle anderen Lichter - abgeschaltet. Es war stockfinster.
    Als Ari nur noch wenige Meter von dem Erker entfernt war, fand er heraus, woher das Weinen kam. In der Dunkelheit einer Ecke, die die Ausbauchung des Leuchttürmchens zusammen mit der Längsseite des Gebäudes bildete, kauerte ein kleines Mädchen. Sklaaten konnte sie nicht richtig sehen, erkannte jedoch, dass sie ein Kleid trug. Sie saß dort ganz klein und verlassen und hatte die Beine zum Körper gezogen. Ihren Kopf hatte sie zwischen den Knien vergraben.  Die Haltung des Kindes auf dem Boden erinnerte Ari an die eines Embryos. Das kleine Mädchen weinte bitterlich. Es war ein Geräusch, das einen jeden mit Traurigkeit ansteckte und Mitleid erregte. Ari Sklaaten bildete da keine Ausnahme, auch wenn er sich einfach nicht erklären konnte, wie dieses Kind an diesen Ort gekommen war. Das spielte in diesen Sekunden aber auch gar keine Rolle. Er wusste, dass er etwas tun musste, um sie zu beruhigen. Wenn er das erreichte, würde er schon noch herausfinden, welche Hintergründe ihre Anwesenheit hatte.
    Ari näherte sich langsam und kurz vor dem Kind ging er in die Hocke. Er bemerkte die kleine Wasserpfütze, die sich um das Kind ausgebreitet hatte.
    Na toll, pinkel ‘ doch auf meine neue Terrasse. Danke auch , dachte Sklaaten und zwang sich doch zu einem aufmunternden Lächeln, egal ob das Mädchen es bei diesen Lichtverhältnissen überhaupt sehen konnte oder nicht.
    „Hey, kleine Prinzessin. Was machst du denn hier? Keine Angst, du musst nicht mehr weinen“, sagte Ari und streckte leicht die Hand nach vorn. Er drückte sich so behutsam aus, wie er nur konnte. Eigentlich kam er mit Kindern nämlich überhaupt nicht klar. Sie quengelten, matschten beim Essen, ließen teures Geschirr fallen, popelten beim Essen in der Nase und stopften feinste kulinarische Kreationen in sich hinein, ohne jeglichen Respekt vor der geschmacklichen Symphonie, die diesen Gaumenfreuden zugrunde lagen. Das alles waren Dinge, die jeden Restaurantbesitzer und Koch zur Weißglut oder gar bis in die Verzweiflung trieben.  
    Das Mädchen hob leicht den Kopf. Ihr Gesicht blieb im Schatten verborgen, aber seine Worte schienen Wirkung zu zeigen. Das Schluchzen wurde etwas leiser, nach und nach hörte es ganz auf.
    „Holst du mich hier weg?“,

Weitere Kostenlose Bücher