Möwennest-Reihe Gesamtband (German Edition)
jemand. Harry zuckte erschrocken zusammen.
***
Viktor Kulac lehnte sich in Fensternähe gegen die Wand und schaute schon wieder auf seine Armbanduhr. Es war das fünfte Mal in den vergangenen fünf Minuten. Seine Geduld war am Ende. Er stampfte mit dem Fuß auf, schlug mehrmals gegen das geschlossene Fenster. Klong! Klong! Klong!
Fünfundzwanzig Minuten ! Verdammt, da stimmt was nicht.
„Wie lange dauert so eine Radio-Dings-Sache?“, fragte er.
Klaus zuckte nur mit den Schultern.
Andrej antwortete: „Keine Ahnung. War noch nie wegen so was beim Arzt.“
„Mir dauert das verdächtig zu lange“, knurrte Viktor.
Er wartete weitere fünf Minuten, danach hatte er die Nase voll.
„Wir haben genug gewartet“, entschied er, stieß sich von der Wand ab und ging zur Tür.
„Harry läuft uns nicht davon. Wir kennen die Zimmernummer und wir wissen, wo er wohnt. Kümmern wir uns um den anderen. Hast du das Foto dabei, Andrej?“
„Ja, hier.“
„Okay, hoffen wir, dass wir es mit Ari Sklaaten zu tun haben. Das wäre ein Treffer ins Schwarze. Könnte ein dicker Bonus für uns bei rausspringen.“
Die anderen nickten. Alle drei wussten, die Bezahlung in den letzten Monaten war miserabel gewesen. Die Geschäfte liefen derzeit alles andere als rund. Kees Bloemberg, einer dieser einfältigen, überehrgeizigen Kriminalinspektoren, hatte den Mexikanern, Stojics wichtigsten Lieferanten, ordentlich zugesetzt. Die Sache lief noch, aber es war nur eine Frage der Zeit, bis die Rotterdamer Polizei die letzten Drahtzieher dieses Geschäftszweiges hochnehmen würde. Es war also umso wichtiger Ari Sklaaten endlich in die Finger zu bekommen. Er hatte vor Jahren etwas sehr Wertvolles gestohlen und jetzt war ein guter Zeitpunkt es zurückzubekommen.
Auf dem Krankenhausflur stoppten sie einen jungen, dürren Krankenpfleger, der nervös und hektisch wirkte, ihnen jedoch trotzdem erklärte, dass sie für Personenauskünfte und Raumbelegungen an der Rezeption im Erdgeschoss oder an einem der Annahmebüros auf den Stationen nachfragen müssten. Ohne Dankeschön ließen sie von ihm ab und er eilte davon.
„Hm“, sagte die Frau hinter dem Tresen, deren Name, dem Namensschild auf der rechten Brust zufolge, Marla de Jong war. Sie schaute sich das Bild an und rieb sich die Nase. Klaus, Viktor und Andrej befanden sich im Annahmebüro von Station Eins. Auf Harrys Station (Nummer Zwei) hatten sie kein Glück gehabt.
„Clarice, kommst du mal eben.“ Eine ältere Frau mit dunkelbrauner Haut, gekräuseltem schwarzen Haar und Brille löste ihre Aufmerksamkeit von einem Computerbildschirm im hinteren Teil des Büros und kam nach vorn.
„Was gibt’s?“
„Du bist doch seit der Frühschicht hier. Ist hier bei uns dieser Mann eingeliefert worden?“
Die Frau, die Marla hieß, schob der anderen das Foto rüber.
Clarice griff sich an die Brille und schaute sich das Bild sehr genau an.
„Ja sicher, aber vor zwei Tagen schon“, sagte sie nach kurzer intensiver Studie erfreut. „Sind sie Angehörige? Wir wissen leider immer noch nicht, wie unser Patient hier heißt. Na ja, er hatte keinen Ausweis bei sich und weigert sich bisher mit uns zu reden. Ist einer von den Beiden, die nach dem Einsturz dieses Restaurants geborgen worden sind. Er scheint ein bisschen verwirrt zu sein.“
„Ähm … ja, wir sind enge Freunde von … Nick“, log Viktor. „Nick Veesen, das ist sein Name. Haben im Fernsehen gesehen, was mit dem Restaurant passiert ist. Wir hatten gehört, dass er etwas Verrücktes geplant hatte in dieser Nacht, sind deshalb sofort losgefahren und haben sämtliche Krankenhäuser der Umgebung abgeklappert. Sie wissen ja gar nicht, wie froh wir sind, dass wir ihn hier gefunden haben. Wie geht es ihm? Wo können wir ihn finden?“
„Soso, Veesen also“, sagte Clarice und zog, noch während sie das sagte, die Stirn in Falten, als wäre ihr in dieser Sekunde etwas auf- oder eingefallen. Sie musterte die Besucher einen nach dem anderen, schließlich zuckte sie mit den Schultern „Hm, nun gut. Nick Veesen. Für einen Moment habe ich gerade gedacht, es wäre jemand Berühmteres. Ich meinte, ich hätte genau dieses Bild vor ein paar Jahren einmal in der Zeitung gesehen oder war es im Fernsehen? Es kommt mir jedenfalls irgendwie bekannt vor. Kann allerdings gut sein, dass ich mich da jetzt komplett irre. Ich glaube ich bin ein bisschen überarbeitet. Meine dritte Doppelschicht in vier Tagen. Na, ist ja auch egal.“ Sie
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