Möwenspur
wollte. Langsam müsse sie auf eigenen Beinen stehen. Carla
hatte ihre Tochter in ihrem Vorhaben unterstützt. Und so
war ihr die Entscheidung zu Ewen zu ziehen, leicht gefallen.
Ewen erwachte langsam wieder aus seinem Tagtraum
und legte den Bericht des Pathologen zur Seite, den er
immer noch in Händen hielt. Vielleicht würden sie morgen weiterkommen, wenn die Bilder einmal im Fernsehen veröffentlicht waren. Ewen erhob sich und ging zu
seinem Kollegen Paul Chevrier.
„Paul, haben wir außer diesen Fischabfällen und den
Geldbörsen weitere Übereinstimmungen zwischen den
beiden Morden gefunden?“
„Nachdem wir alles was wir gefunden haben untersucht
haben, muss ich eine gewisse Enttäuschung zugegeben.
Wenn du mich fragst, dann sehe ich eine weitere Übereinstimmung in dem Alter der beiden Toten. Beide müssen etwa um die dreißig Jahre alt gewesen sein. Auch
waren sie auffallend gut gekleidet, was auf ein gehobenes Einkommen hindeutet. Beide stammen mit Sicherheit nicht aus der Bretagne, denn hier wird niemand Unbekanntes vermisst. Von Beiden fehlt das Portemonnaie
und beide Fahrzeuge sind noch nicht gefunden. Mehr
habe ich nicht herausfinden können.“
„Dann können wir nur hoffen, dass wir nach der Ausstrahlung im Fernsehen etwas mehr wissen. Paul, ich bin
nachher verabredet aber du weißt, wie du mich im Notfall erreichen kannst.“
Damit verließ Ewen Kerber das Büro seines Kollegen
Paul Chevrier und das Kommissariat am Place Charles
de Gaulle.
Er überlegte eine Weile, ob er den Weg hinunter zum
Place Saint-Corentin zu Fuß oder mit dem Wagen zurücklegen sollte. Er entschied sich für den 15 minütigen
Fußweg und ließ seinen Wagen hier oben stehen. Gemütlich spazierte er in Richtung der Innenstadt. Er freute
sich, Carla zu sehen. Sie hatten sich vorgenommen, am
Abend gemeinsam etwas zu kochen.
Auf dem Weg zum Café Finistère ließ er sich noch einmal alles durch den Kopf gehen, was er über den Fall
wusste. Auch wenn es nicht sehr viel war, er konnte aber
dennoch eine Kleinigkeit übersehen haben. Dass er nicht
an das Fernsehen gedacht hatte, wurmte ihn. Was sollte
der Kollege aus Paris von ihm denken. Aber auch bei
diesem Spaziergang fiel ihm nichts Weiteres ein. Die
Fischabfälle blieben ihm ein Rätsel. Was wollte jemand
damit nur ausdrücken? Er war beinahe sicher, dass sich
darin eine Botschaft verbarg. Er überlegte, woher solche
Abfälle zu bekommen waren. Aus seiner Sicht kamen
nur Restaurants oder die Fischindustrie in Concarneau in
Frage. Es musste eine Person geben, die Zugang zu solchen Abfällen hatte. Davon gab es aber bestimmt sehr
viele. Hier an der Küste befanden sich zahlreiche Fischrestaurants und in Concarneau, Douarnenez oder an den
anderen Fischereistandorten gab es darüber hinaus eine
Menge Leute, die an solche Abfälle gelangen konnten.
Man konnte ja schwerlich alle Fischer, Köche oder Küchengehilfen überwachen oder befragen und um ihre
Alibis bitten. Nein, er musste einen weiteren Zugang zu
dem Fall finden.
Carla war schon etwas früher auf der Terrasse des Kaffees eingetroffen. Als Ewen um die Ecke bog und auf
den Platz trat, sah er Carla ihm zuwinken.
Kapitel 4
Ewen Kerber und Carla Rozier hatten die gemeinsam
zubereitete Mahlzeit genossen. Die Flasche Rotwein war
bereits zur Hälfte geleert, als Ewen den Fernseher einschaltete. Er wollte unbedingt sehen, ob die Bilder der
beiden Toten in den Nachrichten ausgestrahlt würden. Es
war schon kurz nach 20 Uhr 30 als die Nachricht erschien. Carla saß neben Ewen.
„Die sehen sympathisch aus“, meinte sie, „und sie scheinen beide noch ziemlich jung zu sein.“
„Ja, wir schätzen sie auf höchstens 30 Jahre. Es ist uns
ein Rätsel warum man sie umgebracht hat, vor allem die
Art und Weise. Es sieht aus wie ein Unfall und dennoch
will uns der Täter auf etwas aufmerksam machen.“ Ewen
erzählte Carla ein paar Einzelheiten, ohne ausschweifend
zu werden. Die Nachrichten waren vorbei und sie schalteten den Fernseher aus. Ewen wollte mit Carla den Rest
des Rotweins genießen und etwas plaudern, als das Telefon klingelte.
„Ewen Kerber“, meldete er sich.
„Hier ist Marie, Ewen, ist meine Mutter bei dir?“
„Ja, ich gebe sie dir Marie, noch einen schönen Abend.“
Carla Rozier nahm den Hörer, den Ewen ihr reichte und
begrüßte ihre Tochter.
„Hallo Marie, hast du am Nachmittag vergessen, mir
etwas Wichtiges zu sagen?“
„Nein Mama, aber ich habe gerade die Nachrichten gesehen und da zeigten sie die
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