Möwenspur
befreundet. In der
Hauptsache waren es junge Frauen zwischen 18 und 25
Jahren, wie sie beim Scrollen bemerkte. Robert sah sehr
gut aus und es war kein Wunder, dass sich die Frauen für
ihn interessierten. Julie wollte unbedingt mit ihm chatten, sie musste ihn näher kennenlernen. Aber möglichst
nicht über Facebook. Sie wollte anonym bleiben und das
war vielleicht in einem der zahlreichen Foren einfacher
als hier. Nachdem sie sich die Email-Adresse von Robert
notiert hatte, ging sie zu ihrem kleinen Mini und fuhr in
die Stadt. Sie betrat dasC yber-Café ‚Chez Marinette‘ am
Quai Carnot in Concarneau, in dem sie schon so manche
Stunde verbracht hatte, bestellte sich einen Kaffee und
ein Glas Wasser und suchte sich einen freien Platz. Nach
wenigen Minuten war sie im Netz und schrieb eine
Email an Robert Le Floch.
Hallo Robert, du kennst mich nicht, aber ich habe schon
einiges über dich auf Facebook gelesen. Du siehst richtig süß aus. Ich würde ganz gerne mit dir ein wenig chatten. Vielleicht findest du ja etwas Zeit. Ich bin immer auf
‚chat.fr‘. Mein Name ist Lolita 23. Ich würde mich über
eine Antwort freuen.
Die Mail war jetzt versandt und Julie nahm einen großen
Schluck aus dem Wasserglas. Danach nippte sie an ihrem Kaffee und hoffte, dass sie bald eine Antwort bekommen würde. Es dauerte tatsächlich nur wenige Minuten und Robert hatte ihr geantwortet.
Hallo Lolita 23, wie kommst du denn auf mich? Ich bin
ziemlich beschäftigt und habe nicht sehr viel Zeit zum
chatten. Ab Mitternacht bin ich allerdings für eine Stunde frei. Dann können wir uns gerne auf ‚chat.fr‘ treffen.
Bis dann Robert
Julie lehnte sich genüsslich zurück. Es hat wieder geklappt, dachte sie und nahm einen weiteren Schluck aus
ihrer
Tasse. Sie
bezahlte
und verließ
das
‚chezMarinette‘. Eine Melodie summend,
ging
sie zu ihrem
Mini zurück.
Wenige Minuten später betrat sie ihre Wohnung und
schaltete ihren Computer ein. Ein Blick auf die Uhr zeigte ihr, dass es noch vier Stunden bis Mitternacht waren.
Julie ging in ihre kleine Küche und öffnete den Kühlschrank. Der Kühlschrank war schon ziemlich leer. Sie
hatte vergessen, einkaufen zu gehen und so musste sie
sich mit Schinken und Eiern zufrieden geben. Sie überlegte nicht lange und bereitete sich ein Rührei mit Schinken zu. Eine frische Baguette hatte sie mitgebracht, als
sie am späten Nachmittag ihre Arbeitsstelle verlassen
hatte. Als Chefsekretärin hatte sie immer noch zu tun,
wenn die anderen schon längst nach Hause gegangen
waren. Der Chef hatte eben immer Extrawünsche.
Julie liebte ihre Arbeit. Ihr Chef war ein sehr netter
Mann, unaufdringlich aber bestimmt in seinen Anforderungen. Heute hatte sie noch zwei Verträge fertigstellen
müssen, bevor sie das Haus verlassen konnte. Ihr Chef
wollte gegen 20 Uhr nochmals in die Firma kommen und
die Verträge dann mitnehmen. Morgen früh würde er
bereits gegen halb acht
Uhr mit dem Flugzeug von
Quimper aus nach Lyon fliegen und er wollte die Verträge mitnehmen.
Julie sah in ihren Weinständer und nahm sich eine Flasche Rotwein heraus. Sie öffnete die Flasche und goss
sich ein wenig in ihr Glas, setzte sich auf das Sofa und
sah auf den Computer, der vor ihr auf dem kleinen Tisch
stand. Sie freute sich schon auf den Chat mit Robert.
Würde er anbeißen? Eigentlich war sie sich sicher, dass
es klappen würde, ihr Angebot würde er nicht abschlagen. Erneut sah sie auf die Uhr, immer noch waren es
zwei Stunden bis Mitternacht. Julie schaltete den Fernseher ein und wollte sich die Zeit mit einem Film vertreiben.
*
Ewen Kerber hatte sich, nachdem Marie sich wieder gefangen und ihrer Mutter erklärte hat, dass sie ruhig wieder nach Hause gehen könne, mit Carla auf den Heimweg gemacht. Carla war auf der Fahrt still und beinahe
schon in sich gekehrt. Als Ewen sie ansprach, musste er
das zweimal tun, weil Carla beim ersten Mal nicht reagierte.
„Was ist los Carla?“, Ewen wiederholte seine Frage.
„Ach, es ist nur…,“ Carla stockte, „es ist, weil ich mir
jetzt wieder Sorgen um Marie mache. Sie hatte schon so
viel verarbeitet.“
„Das wird auch weiterhin der Fall sein, Carla.“ Ewen
wusste nur zu gut, dass ihre Sorge durchaus berechtigt
war. Aber er wollte sie ein wenig trösten.
„Hoffentlich glaubst du jetzt nicht, dass Marie oder ich
etwas mit den Morden zu tun haben?“
Dieser Satz war aus Carla herausgesprudelt. War das der
echte Hintergrund ihres eher sonderbaren Verhaltens?
Carla wusste selber
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