Möwenspur
spazieren. Jean-Marie kaufte die Eintrittskarten, steckte sie in sein Sakko und dann gingen
sie die wenigen Schritte bis zum Küstenweg und vertrieben sich die Zeit des Wartens. Es gab hier einen
schönen Küstenweg, der an den alten Bunkern aus
dem Zweiten Weltkrieg vorbei führte und auf dem
man bis nach Brest wandern kann, mit einem beständig herrlichen Blick auf die Bucht von Brest.
Der Weg war wirklich herrlich,
die Aussicht ein
Traum. Die Bucht von Brest sei, so erzählte Julie ihm
jetzt, der größte natürliche Hafen der Welt. Tausende
von Schiffen würden hier gleichzeitig ankern können.
Der Weg auf dem sie gingen war an manchen Stellen
sehr schmal und die Klippen erstaunlich hoch und
nicht ungefährlich. Als Julie eine Stelle sah, an der
der Weg eine kleine Biegung machte, blieb sie stehen.
„Ich würde dich gerne küssen!“ sagte sie zu JeanMarie. Er drehte sich zu ihr und sie küsste ihn leidenschaftlich. Jean-Marie vergaß die Welt um sich herum. Er erwiderte ihren Kuss genauso leidenschaftlich,
als wäre es der letzte Kuss in seinem Leben.
Dann flogen seine Gedanken in die Zukunft und er
sah sich mit Julie in einem schönen Haus wohnen. Er
sah Kinder im Garten herumtollen und einen Schäferhund vor einer Hütte sitzen. Wenn er einmal einen
Hund besitzen sollte, dann einen Schäferhund, einen
deutschen Schäferhund, das war sein großer Wunsch.
Als Julie den Kuss beendete sah sie in seine strahlenden Augen und lachte ihn an. Sie blickte an ihm vorbei aufs Meer hinaus. Ganz plötzlich rief sie aus:
„Dreh dich schnell um und schau dir dieses Boot dort
unten an!“
Jean-Marie drehte sich rasch um und verspürte beinahe zeitgleich einen kräftigen Stoß im Rücken. Er
stand nur wenige Zentimeter vor dem Abgrund und
verlor sofort sein Gleichgewichtig. Er taumelte,
ruderte mit den Händen und streckte sie beide nach hinten zu Julie. Sie sah schnell nach rechts und links um
sich zu vergewissern, dass sie niemand sehen konnte,
aber es war niemand in der Nähe. Dann war es auch
schon zu spät. Jean-Marie fiel ins bodenlose. Sein
Körper schlug hart auf einen Felsen auf. Jean-Marie
war sofort tot.
Julie stand an der Klippe und sah hinunter. Die Klippen mussten hier beinahe zwanzig Meter hoch sein.
Sie bückte sich, lockerte mit einem Taschentuch einen größeren Stein direkt an der Kante und schob ihn
mit ihrem Fuß etwas zur Seite. Jetzt sah es so aus, als
habe Jean-Marie draufgetreten und der Stein sei weggerutscht. Als sie eine Gruppe von Leuten kommen
sah begann sie zu rufen.
„Hilfe, Hilfe so helfen Sie doch! Mein Freund ist abgestürzt, Hilfe, Hilfe!“
Ein Mann kam herbeigeeilt und wollte helfen.
„Mein Freund, mein Freund ist abgestürzt, wir brauchen einen Arzt, wir brauchen einen Notarzt!“ schrie
sie verzweifelt und heulte gleichzeitig. Der Mann
nahm sein Handy und alarmierte die Polizei und die
Feuerwehr. Dann kümmerte er sich um Julie. Er versuchte sie zu beruhigen aber sie reagierte beinahe hysterisch. Es dauerte vielleicht zehn Minuten bis der
Notarzt und die Polizei auf dem Parkplatz eingetroffen waren. Von dort mussten sie noch einige Minuten
bis zu den Klippen gehen. Der Arzt kümmerte sich
zuerst um Julie. Er sah sofort, dass für den jungen
Mann jede Hilfe zu spät kam. Einen solchen Sturz
konnte man nicht überleben. Außerdem war es ohne
Leitern auch nicht möglich zu ihm hinunter zu gelangen. Er nahm an, dass Julie einen Schock hatte und
gab ihr eine Beruhigungsspritze. Dann bat er zwei
Sanitäter, sie zum Krankenwagen zu begleiten und ihr
eine Decke umzulegen. Gleichzeitig mit der Polizei
war auch die Feuerwehr eingetroffen. Nachdem die
Beamten des Einsatzes sich die Absturzstelle angesehen hatten, beschlossen sie Leitern zu holen um an die
Leiche zu gelangen. Der begleitende Polizist hatte
schon von den drei Toten im Süden des Finistère gehört und wollte sich nun versichern, ob dieser Fall
damit in Zusammenhang stehen könnte. Daher rief er
bei der police judiciaire in Brest an und bat einen Kriminalkommissar zur Unfallstelle.
Nach etwa
zwanzig
Minuten traf
Kommissar
Gilles
Roudant an der Unfallstelle ein. Er sah sich die Absturzstelle genau an. Dann fragte er den jungen Polizisten, der
ihn alarmiert hatte ob man schon etwas an der Leiche
verändert habe.
„Nein, nur der Arzt war bis jetzt unten um sich den
Mann anzusehen. Er hat nichts verändert.“
Als der Arzt wieder hochgekommen war sah er den
Kommissar neben dem Polizisten stehen.
„Gilles Roudant, police
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