Mogelpackung: Roman
dass die Erde aufspritzte. Während Knödel auf einem Bein hüpfte und sich mit schmerzverzerrtem Gesicht alle Wehklagen verbiss, hoppelte der Ball gerade mal ein paar Meter weit und blieb liegen.
»Au Backe«, rief Fredo mitfühlend. »Tut es sehr weh? Soll ich was zum Kühlen holen?«
»Geht schon wieder«, ermannte sich Knödel und trat probeweise mit dem lädierten Fuß auf. Es schien tatsächlich nicht so schlimm zu sein. »Ich weiß bloß nicht, wie ich unter die verdammte Pille kommen soll, wenn ich den Fuß so steil stellen muss!«
»Wir brauchen eine Abschussbasis.« Fredo sah sich bereits suchend um und entdeckte das geeignete Material auf einem schmalen Pfad zwischen penibel beschnittenen Buchsbaumhecken: weiße, walnussgroße, runde Kiesel. Fredo sammelte eine Handvoll und legte sie auf dem Rasen zu einer kleinen Plattform zusammen. Den Fußball setzte er obenauf. Es sah aus wie eine kleine Torte mit überdimensionierter Cocktailkirsche, würde aber wohl den geplanten Zweck erfüllen, schätzte Fredo.
»Jetzt liegt der Ball nicht mehr so tief«, erklärte er die Konstruktion. »Du kannst den Schuss voll durchziehen und läufst nicht so leicht Gefahr, im Rasen hängenzubleiben.«
»Cool. Dann versuch ich’s noch mal!«
»Und hau ordentlich drauf, Kleiner! Die allergrößte Wucht kriegt der Schuss, wenn du dir vorstellst, nicht bloß gegen den Ball zu treten, sondern volle Pulle durchs Leder hindurch.«
Knödel trat ein paar Schritte zurück, visierte den Ball an und verfiel angesichts der Dramatik dieses Moments augenblicklich wieder in die Kommentatorenrolle. »Letzte Spielminute, Freistoß an der Strafraumkante, halbrechte Position! Es steht null zu null, die Zuschauer halten den Atem an. Jetzt muss die Entscheidung fallen! Die Mauer formiert sich – Podolski läuft an, Lukas Podolski …«
Der Junge lief an und zog den rechten Fuß voll durch. Schaufelte den Ball in hohem Bogen gegen die Hecke. Noch im Flug überholte ein ebenfalls losgetretener Kiesel das Leder, sauste im Geschosstempo durchs Geäst und verschwand. Fredo hielt die Luft an.
Dann klirrte es vernehmlich.
»Daaanieeel!«
12.
D aaanieeel! Komm sofort her!«
In der sich vor Erregung brechenden Frauenstimme lag eindeutig die Drohung von Mord und Totschlag. Knödel stand da wie ertappt, mit hängenden Schultern, ein Bild des Jammers.
»Ich muss dann wohl«, brachte er nur hervor und klaubte seinen Ball aus der Hecke.
»Den Kiesel hast du perfekt getroffen«, versuchte Fredo zu trösten. Knödel grinste schwach zum Abschied und drückte sich durch die Hecke.
»Warte, ich komme mit.« Kurzentschlossen quetschte sich Fredo hinter dem Jungen durchs Gebüsch. Daniel sagte nichts, aber die Schultern hingen plötzlich nicht mehr ganz so tief.
Nachbars Garten war nicht annähernd so großzügig wie das Friedsche Anwesen, doch immer noch groß genug für ein schmuckes, gutbürgerliches Eigenheim. Von der Geranie bis zum Terrassengrill perfekt. Die Dame des Hauses, blond und gut gebaut, fügte sich harmonisch in die Kulisse. Dissonant wirkten dagegen ein hässlich gezackter Sprung in der gläsernen Terrassenwindschutzwand sowie die grimmige Miene, mit der Daniels Mutter die herannahenden Sünder bedachte.
»Daniel, meine Geduld ist am Ende! Diesmal zahlst du das von deinem Taschengeld!«
»Wir haben doch nur trainiert«, jammerte Knödel. »Spannstoß!«
»Ist mir wurscht! Es reicht«, entschied seine Mutter resolut und wandte sich an Fredo. »Und Sie? Sie sind doch der, der neulich nebenan nackt herumgehüpft ist! Ich warne Sie, wenn Sie nicht sofort von meinem Grundstück verschwinden …«
»Verzeihen Sie«, versuchte Fredo zu beschwichtigen. »Darf ich mich vorstellen – Fried ist mein Name, ich bin der Bruder Ihres Nachbarn, Markus Fried …«
Er streckte zur Begrüßung die Hand aus, aber die blieb unbeachtet in der Luft hängen. Die Frau sah ihn forschend an, sichtlich überrascht – dann wischte ein breites Grinsen jeden Zorn aus ihrem Gesicht.
»Fredo? Fredo Fried?«
Fredo zog die ausgestreckte Hand verblüfft zurück und verspürte nun auch das Gefühl, Knödels Mutter schon früher begegnet zu sein. »Kennen wir uns?«
Ihr Grinsen wurde noch breiter. »Vielleicht hättest du im Konfirmandenunterricht auch mal auf mein Gesicht gucken sollen – nicht immer bloß in meine Bluse …«
Fredos Blick rutschte unwillkürlich eine Etage tiefer. Mehrere Blusenknöpfe standen offen, wie einst im Mai. »Katrin?
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