Mogelpackung: Roman
für Abenteuer, das hatte sie ihm ja deutlich zu verstehen gegeben. Und da Fredo spürte, dass man eine Frau wie Helena Anatol sehr ernst nehmen musste, war er bei ihrem letzten Treffen gleich gegangen. Aber abgehakt war das für ihn noch lange nicht, das spürte er leider auch. Kompliziert, kompliziert, dachte Fredo. Ich hasse kompliziert. Bei so vielen Problemen helfen einem auch kein Edelrotwein, kein Ledersofa und keine Villa. Vielleicht, erkannte er plötzlich, geht es Markus doch nicht so gut, wie ich immer glaubte. Vielleicht sollte ich ihn oder Nicole auch mal wieder anrufen.
Sie hatten während der letzten Wochen nur zweimal miteinander gesprochen, beide Male sehr kurz, die Gespräche gingen kaum über die gegenseitige Beteuerung, es sei alles okay, hinaus. Vor zwei Tagen hatte Fredo einen Versuch unternommen, bei seinem Bruder anzurufen, aber sowohl bei Markus als auch bei Nicole hatte sich nur die Mobilbox gemeldet. Zurückgerufen hatten sie auch nicht, jedenfalls nicht bei ihm. Fredo angelte sich das Telefon vom Beistelltisch und wählte nacheinander die eingespeicherten Nummern – erst Markus, dann Nicole, bei beiden: Mobilbox. In beiden Fällen hinterließ er die gleiche Ansage: »Hier ist Fredo. Alles okay hier. Bei euch hoffentlich auch. Fredo, over and out. «
Markus hetzte wahrscheinlich von einem Geschäftstermin zum nächsten, während Nicole sämtliche Tempel der Umgebung per Rikscha abklapperte, mutmaßte Fredo und tauschte das Telefon gegen die TV-Fernbedienung. Gleich kam »Lara – eine Unschuld in Berlin«. Fredo hatte letzte Woche sporadisch damit begonnen, zur »Lara«-Sendezeit vor dem Fernseher zu sitzen. Meist nur für ein paar Minuten, oft auch nur, um im Videotext die Einschaltquote der Telenovela für den Vortag nachzulesen. Das tat er auch jetzt. Die Quote sackte seit Tagen ab, von vorgestern auf gestern schon wieder um weitere 0,2 Prozent. Über Schadenfreude war Fredo längst hinaus. Er verspürte eher Mitleid, jedenfalls für seinen alten Kollegen Bert Schmidtbauer. Dem machte man bestimmt täglich die Hölle heiß.
Fredo wechselte vom Videotext aufs Programm. Lara zappelte gerade in der Disco auf der Tanzfläche. Mit Sicherheit eine produktionsseitig einkalkulierte Szene, um Musik zu promoten und die Hauptdarstellerin in einem sexy Outfit zeigen zu können. Dann ließ sich Lara, vom Abtanzen erhitzt, an der Bar von einem Jungspund mit Schmierlappenfrisur zu einem zweifelhaften Longdrink einladen. Als der Schmierlappen in einem unbeobachteten Moment K.-o.-Tropfen in Laras Glas mischte, wollte Fredo schon abschalten. Da schob sich Sandra ins Bild. Seine Sandra. Ex-seine.
»Onkel Fredo? Was guckst du denn da?«
Tim stand in der Wohnzimmertür, kam nun neugierig herüber und stützte sich auf die Sofalehne. »Lara? Den Schrott für kleine Mädchen?«
Fredo nickte nur. Sandra, in ihrer Rolle als Laras moralisch gefestigte Freundin, trug ebenfalls knappste Kleidung mit jeder Menge Schlitzen und Gucklöchern. Sie nahm Lara den gedopten Drink aus der Hand und kippte das Gebräu dem Schmierlappen über den Kopf. Seine Frisur sah gleich viel besser aus. »Trinke nie Alkohol mit fremden Typen!«, belehrte sie Lara. Vielleicht hörten die Mädels darauf, die das gucken, dachte Fredo. Die Kerle unter den Zuschauern würden sich den Lehrsatz kaum merken können, denn während der Rede saugte sich die Kamera derart auf Sandras offenherziges Dekolleté, dass durchschnittsmännliche Gehörorgane aufgrund akuter Testosteronverstopfung vorübergehend die Arbeit einstellten. Fredo registrierte, wie Tim fast das Gleichgewicht verlor und vom Sofa abzurutschen drohte, weil der Junge ganz im Bann von Sandras unübersehbaren Reizen zu stehen schien.
»Mit der war ich bis vor ein paar Wochen zusammen!«, prahlte Fredo.
Tim staunte gebührend. »Echt? Hast du die am Filmset kennengelernt?«
»Nö. Im Park geschossen. Ohne mich wäre sie niemals beim Fernsehen gelandet.«
»Haha«, machte Tim ungläubig. »Ich lass mich nicht von dir verarschen!«
Die Wahrheit glaubt einem keiner, da hat man es wieder, dachte Fredo und stellte seufzend den Fernseher ab. Dann wandte er sich Tim zu und stellte jetzt erst fest, dass der Junge seinen kleinen Rucksack dabeihatte. »Willst du noch los?«
»Zu Pat.«
»Was macht ihr denn so?«
Tim zögerte auffällig. »Kann ich dir nicht sagen. Jetzt noch nicht.«
»Wieso nicht?«
»Ist Patriks Ding. Und ich hab ihm versprochen, dichtzuhalten, bis alles über
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